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Basisdemokratisches Casting: SPD sucht den Superkandidaten

SPD-Chef Kurt Beck dürfte über das Ergebnis einer aktuellen Emnid-Umfrage nicht besonders glücklich sein: 91 Prozent der SPD-Anhänger möchten ihren Kanzlerkandidaten in einer Urwahl selbst wählen – und somit nicht auf den Vorschlag Kurt Becks vertrauen. Sollte die SPD diesem Wunsch ihrer Anhänger nachgeben, würde sie sich allerdings auf gefährliches Terrain begeben.

Die Saure-Gurken-Zeit ist für die SPD noch nicht vorbei. Im Gegenteil: Während aktuelle Zahlen der SPD weiterhin ein Rekordtief von 22 Prozent bescheinigen, zeigt eine andere Umfrage, dass auch das innerparteiliche Vertrauen in SPD-Chef Kurt Beck am Gefrierpunkt angelangt ist: Nur neun Prozent der befragten SPD-Anhänger sprechen sich laut Emnid-Institut dafür aus, dass Kurt Beck den Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2009 – und somit vermutlich sich selbst – vorschlägt. Das wäre der übliche Weg, denn der Parteivorsitzende hat das Vorschlagsrecht für den Kanzlerkandidaten und ist gewöhnlich selbst die erste Wahl. Doch dieses Recht wollen Beck 91 Prozent der Anhänger nicht geben – sie wollen selbst entscheiden, und zwar in einer groß angelegten Urwahl.

Urwahl birgt großes Risiko für das SPD-Image

„Eine Urwahl ist nicht grundsätzlich schlecht. Demokratie-theoretisch gesehen ist es sogar eine sehr gute Idee“, bewertet Parteienforscher Oskar Niedermeyer von der FU Berlin das Umfrage-Ergebnis. „In der Situation, in der die SPD gerade steckt, würde ich aber davon abraten.“ Gerade der SPD, die in der Öffentlichkeit nur noch als zerstrittene, orientierungslose Partei wahrgenommen wird, könnte eine Urwahl eine weitere Verschlechterung im öffentlichen Bild einbringen. Denn ein innerparteilicher Wahlkampf, der Voraussetzung für eine innerparteiliche Abstimmung wäre, würde den Anschein einer zerrissenen Partei weiter verstärken. “Nur eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl wäre dieser innerparteiliche Wahlkampf ein hohes Risiko: Wenn die SPD-Kandidaten gegeneinander antreten, werden die Unterschiede betont, nicht die Gemeinsamkeiten.“

Ergebnis könnte also eine Situation sein, wie sie im amerikanischen Vorwahlkampf derzeit beispielhaft zu sehen ist: Während die beiden Spitzenkandidaten der Demokraten Hillary Clinton und Barack Obama noch um die Kandidatur für den Präsidentschaftsposten gegeneinander kämpfen, kann sich der Republikaner John McCain schon auf den eigentlichen Wahlkampf konzentrieren. Auf deutsche Verhältnisse angewandt, könnte das Szenario also folgendermaßen aussehen: Während Merkel unangefochten an der Spitze der CDU steht, ringen in der SPD neben Kurt Beck auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Finanzminister Peer Steinbrück und eventuell Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit um die Kanzlerkandidatur.

Vorteil: Legitimierung durch die Partei

Dennoch könnte eine Urwahl in der SPD auch von Vorteil sein: „Der Nominierte hat den großen Vorteil, dass er einen hohen Grad an Legitimation besitzt und sich auf die Mitglieder berufen kann“, sagte der Göttinger Parteienforscher Peter Lösche der „Bild am Sonntag“. Ob der durch die Partei legitimierte Kandidat dann aber auch bei den Wählern gut ankommt, ist fraglich. „In der SPD hat es eine solche Urwahl schon einmal gegeben. 1993 wurde Rudolf Scharping basisdemokratisch zum Parteichef gewählt – und hatte letztlich doch die schlechteren Karten bei der Suche nach dem Kanzlerkandidaten“, räumt Niedermeyer ein. Gerhard Schröder machte damals das Rennen.

Abgesehen davon, dass die Vorbereitung einer Urwahl viel Zeit und Geld kosten würde, bleibt die Frage nach Sinn und Erfolg eines solchen Unterfangens offen: Es könnte sowohl positiv für den gewählten Kandidaten sein, der durch die Partei legitimiert wäre und nur zusehen müsste, genügend Truppen hinter sich zu bringen. „Von den Truppen her hat aber Beck im Moment noch die besten Karten“, sagt Niedermeyer. Deshalb könnte eine Urwahl auch negative Auswirkungen haben: Wenn Beck nicht Kanzlerkandidat wird, sondern ein in der Urwahl Gewählter, läuft die Partei Gefahr, beim Wähler noch orientierungsloser anzukommen.

Was letztlich einen guten Kanzlerkandidaten in den Augen der Wähler ausmacht, ganz gleich, ob basisdemokratisch gewählt oder vom Parteichef vorgeschlagen, erklärt SPD-Chef Beck in der „Sächsischen Zeitung“: „Er muss eine Regierung führen und verschiedene Interessen verbinden können. Persönliche Autorität und politische Erfahrung gehören natürlich genauso dazu.“ Na, dann heißt es in der SPD wohl auch weiterhin: Kanzlerkandidat gesucht – mit Führungsstärke und Erfahrung.

Simone Bartsch

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