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Begleitgesetz: CSU: Deutsche Sicht des Lissabon-Vertrags geht vor

Parteichef Seehofer will völkerrechtlichen Vorbehalt gegenüber Brüssel durchsetzen - trotz Widerstands von CDU und SPD. CDU-Politiker Brok warnt unterdessen vor Folgen der EU-Debatte.

Der Streit um die nationalen Kompetenzen geht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Begleitgesetz des Lissabon-Vertrags unvermindert weiter. Trotz des Widerstands von CDU und SPD will der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach Angaben des „Spiegel“ in den laufenden Verhandlungen über die Neufassung des Begleitgesetzes einen sogenannten völkerrechtlichen Vorbehalt durchsetzen.

„Die Bundesregierung muss eine Erklärung abgeben, dass der Vertrag von Lissabon in der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts gilt“, sagte der CSU- Chef dem Magazin. „Für uns ist das ein zentraler Punkt in den Verhandlungen.“ Sollte Seehofer mit der Forderung Erfolg haben, würde die Bundesregierung dem Bericht zufolge auch gegenüber anderen EU- Mitgliedstaaten dokumentieren, dass der Reformvertrag nur innerhalb der engen Grenzen Gültigkeit erlangt, die das Verfassungsgericht setzt. Die Karlsruher Richter könnten die Regierung dann womöglich stoppen, wenn die sich in Brüssel nicht an ihre Vorgaben hält. Das Gericht hatte in seinem Urteil vor sechs Wochen das Begleitgesetz für verfassungswidrig erklärt.

Dagegen kritisierte der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) die anhaltende Debatte über das Karlsruher Urteil. „Es entsteht der Eindruck, dass einige derjenigen, denen der Vertrag nicht passt, die Diskussion um das Begleitgesetz nutzen wollen, durch Draufsatteln und Verzögerungen doch noch zum Ziel zu kommen“, sagte Brok dem Tagesspiegel. Die Kommentierungen zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erweckten manchmal den Eindruck, dass der Vertrag von Lissabon verworfen worden sei. „Dabei ist genau das Gegenteil der Fall“, sagte Brok, der als Vertreter des Europäischen Parlaments in der Regierungskonferenz zum Vertrag von Lissabon mitarbeitet und EVP-Fraktionsvorsitzender im Verfassungskonvent ist. Karlsruhe verlange lediglich, das Begleitgesetz ohne Änderung des Grundgesetzartikels 23 nur insoweit anzupassen, dass Bundestag und Bundesrat ihrer Integrationsverantwortung in einzelnen, klar umrissenen Fragen nachkommen könnten. „Sie dürfen also nicht einfach die Dinge laufen lassen“, sagte Brok und verwies darauf, dass der Vertrag ohnehin Veto- und Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente vorsehe. „Mehrfach geschlagene Schlachten zu Referenden und zu einem imperativen Mandat dürfen eine Ratifikation vor der Bundestagswahl nicht aufhalten“, sagte Brok. Denn sonst würde „ein großer Erfolg der Regierung Merkel, die den Vertrag durchgesetzt hat, im In- und Ausland dramatisch entwertet“.

Als Reaktion auf das Urteil zum Lissabon-Vertrag fordern derweil 30 Hochschullehrer und Richter laut „Spiegel“, dass der Gesetzgeber das Bundesverfassungsgericht künftig darauf verpflichtet, Verfahren zu europarechtlichen Fragen zuerst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorzulegen. Die Juristen befürchten, dass das Verfassungsgericht bereits in Kürze „auf einen Justizkonflikt mit dem EuGH zusteuert“, der fatale Folgen haben könne. Tsp/ddp

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