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Politik: Benutzt und abgeschoben

Flüchlingskinder sind oft Opfer von Menschenhändlern

Von Claudia von Salzen

Elena war 12 Jahre alt, als sie nach Deutschland kam. Sie wollte zur Schule gehen und einen Beruf lernen. Das hatte der Schleuser ihr zu Hause in Rumänien versprochen. Außerdem hatte er ihrer Mutter Geld gegeben. In Deutschland forderte der Schleuser, Elena sollte das „Darlehen“ an ihre Familie abarbeiten – durch Diebstähle. Nachdem sie erwischt worden war, wurde Elena nach dem Ausländerrecht behandelt wie eine Erwachsene: Asylverfahren, Ablehnungsbescheid, Abschiebung.

Zwischen 6000 und 10 000 unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche leben in Deutschland. Nach Angaben des Kinderhilfswerks Terre des hommes sind viele von ihnen Opfer von Kinderhändlern. In Deutschland werden sie zu Diebstählen oder zur Prostitution gezwungen. Zum Weltkindertag haben Terre des hommes, Pro Asyl und andere Menschenrechtsorganisationen die Regierung aufgefordert, die Rechtssituation dieser Kinder zu verbessern: „Sie sind keine Täter, sondern Opfer krimineller Erwachsener“, betont Petra Boxler, die Vorsitzende von Terre des hommes.

Nach der UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland 1992 ratifiziert hat, genießen unbegleitete Flüchtlingskinder denselben Schutz wie andere Kinder ohne Familie. Die Bundesregierung machte jedoch einen ausländerrechtlichen Vorbehalt gegen die Konvention geltend. In Deutschland sind 16-jährige Flüchtlinge verfahrensmündig und werden wie Erwachsene behandelt. Sie können in Sammelunterkünften untergebracht werden und haben keinen Rechtsanspruch auf Schulbildung. Wird ihr Asylverfahren abgelehnt, droht ihnen Abschiebehaft. Bei den Jüngeren wird nach Angaben von Pro Asyl oft die Altersangabe „aufgrund zweifelhafter Untersuchungsmethoden“ nach oben korrigiert.

Das Bundesinnenministerium wies indes die Kritik zurück: „Die UN-Kinderrechtskonvention gilt in Deutschland Wort für Wort“, sagte Ministeriumssprecher Rainer Lingenthal. Der Bundestag hat die Bundesregierung bereits wiederholt aufgefordert, den Vorbehalt zur Kinderkonvention zurückzunehmen. Das Innenministerium argumentiert jedoch, eine Rücknahme bedürfe der Zustimmung der Länder. Die unionsgeführten Länder sind aber gegen eine Änderung.

Für die Opfer der Kinderhändler fordert der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, ein Zeugenschutzprogramm. „Kinder, die gegen die Händler aussagen, müssen in Deutschland bleiben dürfen“, sagte Beck dem Tagesspiegel.

Elena wurde nach ihrer Abschiebung offenbar erneut von den Kinderhändlern verschleppt. Wenig später ging sie in Tschechien auf den Straßenstrich.

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