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Politik: Berlin verklagt Bund auf 35 Milliarden

Senat will Hilfe in „extremer Haushaltsnotlage“ – folgt Bremen? / Etats 2001 und 2002 in NRW verfassungswidrig

Berlin (za/stg/csl/lem). Das Land Berlin will beim Bundesverfassungsgericht 35 Milliarden Euro Sanierungshilfe vom Bund einklagen. Dies beschloss der Senat am Dienstag. Das Land sei nicht in der Lage, sich aus der extremen Haushaltsnotlage aus eigener Kraft zu befreien. Unterdessen entschied der Verfassungsgerichtshof in NRW, dass die Landesetats der Jahre 2001 und 2002 wegen kreditfinanzierter Rücklagen verfassungswidrig waren. Das Urteil dürfte nach Ansicht von Experten Signalwirkung haben, da diese Praxis auch in anderen Ländern angewendet werde. Hessen kündigte wegen seiner Etatprobleme ein drastisches Sparpaket an.

Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) geht davon aus, dass sich Bremen und eventuell andere „arme norddeutsche Länder“ der Klage Berlins anschließen könnten. Es sei nicht auszuschließen, dass vor dem Verfassungsgericht nicht nur die Probleme Berlins, sondern „Grundprinzipien der bundesdeutschen Finanzverfassung aufgerufen werden“.

Die Klage Berlins wird am Donnerstag in Karlsruhe zugestellt – gemeinsam mit der Finanzplanung bis 2007, um die „verfassungsrechtlich gebotenen Eigenanstrengungen zur Haushaltssanierung“ nachzuweisen. Sollte der Bund keine Sanierungszuschüsse zahlen, sei die finanzielle Handlungsunfähigkeit des Landes abzusehen, heißt es in der Klageschrift. Nach Ansicht der Bundesregierung befindet sich Berlin nicht in einer extremen Haushaltsnotlage, „die eine bundesstaatliche Hilfestellung erfordern würde“, sagte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Es bestehe zwar das Risiko, dass Berlin in eine solche Notlage geraten könne. Es sei aber gesetzlich geregelt, dass es zuerst die Aufgabe Berlins sei, diese abzuwenden. Der Bund sehe der Klage gelassen entgegen.

Bremen, das 1992 mit dem Saarland in Karlsruhe einen Anspruch auf Sanierungsbeihilfen eingeklagt hatte, hält die Klage Berlins für „nachvollziehbar“, wie eine Sprecherin des parteilosen Finanzsenators Ulrich Nußbaum dem Tagesspiegel sagte. Da aber die Klageschrift noch nicht vorliege, enthalte sich der Senator weiterer Bewertungen.

Die NRWVerfassungsrichter in Münster gaben einer Klage der CDU-Landtagsfraktion statt. Sie sahen es als erwiesen an, dass der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) bei den Etats 2001 und 2002 die zulässige Kreditobergrenze mit Hilfe von kreditfinanzierten Rücklagen umging. Damit habe er gegen die Verfassung verstoßen. Sie schreibt vor, dass ähnlich wie im Bund die Neuverschuldung in einem Haushalt nicht höher sein darf als die Summe der Investitionen, die das Land aus eigenen Mitteln finanziert. Zudem hätten die kreditfinanzierten Rücklagen die Haushalte 2000 und 2001 belastet, obwohl sie in diesen Jahren noch nicht benötigt worden seien. Der NRW-Haushalt ist der mit Abstand größte aller Länder. Das Urteil hat für die betreffenden Jahre keine Folgen mehr, muss aber künftig berücksichtigt werden (Az.: VerfGH 6/02).

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), sagte, sein Land müsse im Haushalt 2004 rund eine Milliarde Euro sparen – auch durch Stellenkürzungen und mehr Arbeitszeit und weniger Weihnachtsgeld für Beamte. Die Tarifverträge für die Angestellten sollen gekündigt werden.

Derweil sind die Risiken für den Bundeshaushalt 2004 offensichtlich größer als bisher bekannt. Die Haushaltssprecherin der Grünen, Antje Hermenau, sagte, der mögliche zusätzliche Fehlbetrag liege bei „weit über 10 Milliarden Euro“. Die Haushaltspolitiker der Koalition forderten deshalb weitere Einsparungen und einen Verzicht auf Gesetze, die weitere Kosten verursachten.

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