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Als Wissenschaftssenator hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller viel erreicht. Doch mit den Schulen liegt die eigentliche Aufgabe noch vor ihm

© imago/Mike Schmidt

Berliner Bildungsmisere: Herr Müller, machen Sie Schule!

Die Dauermisere der Berliner Schulen ist kein unabänderliches Schicksal, wie der Höhenflug der Hochschulen zeigt. Ein Kommentar.

Gipfel und Abgrund liegen in der Berliner Bildungslandschaft unerträglich nah beieinander. In der Urania betanzten die Universitäten gerade den vorläufigen Höhepunkt einer zehnjährigen Erfolgsserie. Erst die Freie Universität, dann auch die Humboldt Universität, jetzt sogar beide zusammen mit TU und Charité haben ausgezeichnet im Exzellenzwettbewerb abgeschnitten. Das ist ein Segen für die Zukunft der Stadt, man kann allen Hochschulen nur gratulieren. Zugleich aber stürzen die Schulen immer weiter ab.

Die jüngsten Ergebnisse der Grundschul-Vergleichsstudie Vera 3 sind niederschmetternd. Nicht einmal die Hälfte aller Grundschüler erreicht auch nur die durchschnittlichen Erwartungen in Deutsch und Rechnen. Damit spricht alles dafür, dass sich auch in den höheren Altersstufen Berlins Schulmisere mit schlechten Werten in nationalen Schulstudien und viel zu vielen Abgängern ohne Abschluss ungebremst fortsetzt – Berlin ist und bleibt die Hauptstadt der Schulkatastrophe.

Hochschul-Glanz und Schul-Elend sind das Ergebnis sozialdemokratischer Politik. Bei den Universitäten markieren zwei SPD-Wissenschaftssenatoren Anfang und jüngsten Höhepunkt des Erfolges, vor einem Jahrzehnt Jürgen Zöllner und heute Michael Müller, als roter Faden zwischen beiden Staatssekretär Steffen Krach. In der Schulpolitik reicht die sozialdemokratische Verantwortung für die schlechten Ergebnisse bald ein Vierteljahrhundert lückenlos zurück. Warum die SPD bei den Wahlumfragen in Berlin noch schlechter abschneidet als im Bund, hat auch damit zu tun.

Es ist das Gegenteil sozialer Gerechtigkeit, wenn die Schulen nicht einmal ihre Grundfunktion erfüllen und allen Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen vermitteln. Viele bildungsorientierte Eltern auch mit kleinen Einkommen zahlen lieber für Privatschulen, weil das kostenlose Angebot des Senats für sie wertlos ist.

Ohne gute Schulen bluten auch die Hochschulen aus

Es wirkt wie Hohn, wenn der Senat neue Jobangebote für Geringstqualifizierte schafft und zugleich für deren zahlreiches Nachwachsen sorgt. Auch die billige Ausrede, dass Stadtstaaten gar nicht anders könnten, als mehr Bildungsverlierer zu produzieren, ist widerlegt. Ebenso ist der Hinweis auf viele Migranten Unsinn. Hamburg zeigt, wie es geht. Die Hansestadt, in der anteilig mehr Migranten leben als in Berlin, hat sich unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz aufgemacht, mit einer entschlossenen Schulpolitik die Spirale nach unten zu durchbrechen.

Inzwischen ist Hamburg vielbestaunter Aufsteiger in deutschen Schulvergleichen, die Methoden könnte Berlin einfach übernehmen. Das aber findet nicht statt dank einer unbeweglichen Verwaltung und einer dazu passenden Senatorin. Die Dauermisere ist kein unabänderliches Schicksal, wie der Höhenflug der Hochschulen zeigt. Auch dort gab es zunächst einen fehlplatzierten Senator und Blockaden auf vielen Ebenen.

Als Wissenschaftssenator hat der Regierende Bürgermeister viel erreicht, mehr als ihm manche zugetraut haben. Die eigentliche Aufgabe aber liegt noch vor ihm: Ohne gute Schulen bluten auch die Hochschulen aus. Die unzufriedenen Eltern freuen sich gerne mit den Universitäten, akzeptieren aber nicht, dass ihre Kinder wegen schlechter Schulen dort nie ankommen werden. Der Regierende hat bei Siemensstadt und Exzellenz-Universitäten gezeigt, dass er liefern kann. Jetzt sollte es auch endlich bei den Schulen müllern.

Sebastian Turner

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