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Politik: Berliner wollen eine ganze Region adoptieren

Thomas Berger kennt den Balkan seit Jahren. Der 36jährige Gründer und Leiter der Berliner Organisation HCC organisiert seit 1994 Hilfstransporte.

Thomas Berger kennt den Balkan seit Jahren. Der 36jährige Gründer und Leiter der Berliner Organisation HCC organisiert seit 1994 Hilfstransporte. Das Ausmaß der Zerstörungen aber, die er jetzt bei einer Erkundungs-Tour ins Kosovo gesehen hat, hat ihn erschüttert: "Die Bilder von ausgebrannten Autos, zerschossenen Bussen und den zerstörten Dörfern sind schaurig." Pristina wirkte auf ihn wie eine Geisterstadt - geplünderte Geschäfte, wenige Menschen, nur vereinzelt Autos.

Berger war in Prizren und Pristina, um Vorbereitungen für den neuen Einsatz im Kosovo zu treffen. Im März, kurz vor Beginn der Nato-Angriffe gegen Jugoslawien, haben die Berliner Helfer als letzte Pristina verlassen. Jetzt wollen sie so schnell wie möglich den Betrieb in ihrem ehemaligen Kosovo-Hauptquartier wieder aufnehmen, um die Menschen dort zu unterstützen.

Der Besuch im ehemaligen Quartier gestaltete sich schwierig. Berger und sein Mitarbeiter konnten den Vermieter nicht finden, die Tür zur ehemaligen HCC-Wohnung war mit serbischen Zeichen beschrieben. Wegen der Minengefahr wagte Berger nicht, sie zu öffnen. "Gerade in Pristina sind viele Häuser gefährdert. Zieht man in den Wohnungen irgendeine Schublade auf, kann dort eine entsicherte Handgranate hochgehen, es steckt etwas im Videorecorder oder eine Sprengladung liegt auf der Türklinke", schildert Berger die Situation.

Dennoch war die Visite nicht vergebens. Zum UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR konnten erste Kontakte geknüpft werden. Die Berliner boten ihre Transportlogistik an. "Wir haben große Erfahrungen damit, und die wird gebraucht, um Waren von A nach B zu bringen. Teams, die absolut fit und kreativ sind, sind der Schlüssel für diese Arbeit. Das haben wir in Albanien erlebt. Es gab ausreichend Hilfsgüter, aber sie konnten nicht effizient verteilt werden", sagt Berger.

Während im Kosovo viel Aufbauarbeit wartet, ist das HCC-Team im albanischen Kukes seit einigen Tagen praktisch arbeitslos. Monatelang waren die sechs Mitarbeiter pausenlos im Einsatz, jetzt sind dort keine Flüchtlinge mehr zu betreuen. Die Camps sind leer. Die Situation ist dennoch heikel. Seit der Rückkehr der Flüchtlinge steigt die Kriminalitätsrate in Kukes. Die verlassenen Camps werden geplündert, Diebstähle häufen sich. "Die Albaner stehen vor einem Einkommensverlust. Wir bereiten uns darauf vor, unser Team zu evakuieren", sagt Berger.

Im Kosovo wollen die HCC-Helfer aber nicht nur ihre Transportkenntnisse einsetzen. HCC möchte auch eine kleinere Region adoptieren. Dort wollen die Berliner versuchen Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und Begegnungsstätten in Gang zu bringen.

"In Zukunft wird aber nicht nur das Kosovo ein Problem sein, sondern auch Albanien. Dieses Land ist weitaus ärmer", mahnt Berger. Deshalb will die Organisation auch dort ihre Projekte weiterführen. So ist in Zusammenarbeit mit dem EU-Programm Echo in Shkodre der Aufbau eines Altersheimes und einer Poliklinik geplant. Im Flüchtlingscamp von Librahzde, das HCC leitet, bereiten sich die Helfer bereits auf den Winter vor. 700 Menschen aus der Gegend um Djakova und Nitrovica leben noch immer dort. "Sie können nicht zurück, da in der Region der Bürgerkrieg um die Goldminen tobt", erläutert der HCC-Chef.

Außerdem wollen die Berliner demnächst in zwei Bussen rollende Bibliotheken einrichten. Mit Hilfe von Aufklärungsmaterialien wollen sie die Menschen über die Minengefahren aufklären.

FRANK ROTHE

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