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Wallfahrtsstätte. Auf der Insel Gorée wird an das Grauen der Sklaverei erinnert. Der US-Präsident möchte dort ein Zeichen der Versöhnung setzen. Foto: Gary Cameron/Reuters

© Reuters

Politik: Besuch vom einstigen Hoffnungsträger

Barack Obama bereist Afrika. Zum Auftakt seines Besuchs erinnerte er im Senegal an den Sklavenhandel.

Die Wand mit dem schmalen Schlitz ist die Klagemauer der afrikanischen Diaspora. Boxweltmeister Muhammad Ali hat vor ihr gekniet und minutenlang geweint. Der Sänger James Brown wollte, wie er später erzählte, nach dem Verlassen des schummerigen Raumes auf den erstbesten Weißen losgehen und ihn niederschlagen. Doch nicht nur prominente Afroamerikaner haben das einstige Sklavenhaus auf der Insel Gorée vor der Küste von Senegal besucht. US-Präsidenten machen bei ihren Afrikabesuchen regelmäßig dem Eiland ihre Aufwartung – als Zeichen der Versöhnung mit den 30 Millionen Afroamerikanern, die ihre Wurzeln auf dem Schwarzen Kontinent wähnen.

Am Donnerstag besuchte Barack Obama zum Auftakt einer achttägigen Afrikareise, die ihn über Senegal und Südafrika nach Tansania führen wird, die Insel Gorée. Von dort waren jahrhundertelang Zehntausende Sklaven nach Amerika verschleppt worden. In einem der Sklavenhäuser schritt Obama durch die „Tür ohne Rückkehr“. Obama sprach von einem „sehr starken Augenblick“ für ihn. Der Besuch der Sklaveninsel gebe ihm „als afrikanisch-amerikanischer Präsident noch größere Motivation in Sachen Menschenrechte in der ganzen Welt“. Dass Amerikas Staatschef erst jetzt an diese Wallfahrtsstätte kommt und den Kontinent bislang fast völlig ignoriert hat, ist bei vielen Afrikanern gar nicht gut angekommen. Schließlich hatte man sich gerade von Obama ein weit größeres Engagement für den Heimatkontinent seines kenianischen Vaters versprochen. In den ersten fünf Jahren seiner Amtszeit war der erste schwarze US-Präsident ganze zwei Tage in Afrika – und zwar nur in Ghana, jenem Land, das 1957 als erstes in Schwarzafrika unabhängig wurde und heute zu den wenigen Stabilitätsankern zählt.

Auch Senegal gilt wieder als ein Hoffnungsträger. Seit der Wahl von Macky Sall im vergangenen Jahr hat das westafrikanische Land wieder einen Präsidenten, der die Probleme im Bildungs- und Gesundheitswesen anpackt. Zudem hat er seine Regierung von 38 auf 25 Minister verkleinert und die eigenen Vermögensverhältnisse offengelegt – ein in Afrika geradezu revolutionärer Schritt für einen Staatschef. Nun will Macky Sall vor allem den Kampf gegen die Korruption forcieren.

Senegal war einst der am weitesten westlich gelegene Verschiffungspunkt, auf Gorée steht das am besten erhaltene Sklavenzentrum des Kontinents. Auch der benachbarte Zwergstaat Gambia hat vom Polittourismus aus den USA profitiert – insbesondere von dem Buch „Roots“ des verstorbenen Autors Alex Haley, das in den späten 70er Jahren verfilmt wurde und die Sichtweise auf den Sklavenhandel im Westen nachhaltig geprägt hat.

Viele Afrikaner hatten nach dem Amtsantritt Obamas lange Zeit die naive Vorstellung gehegt, dass mit ihm ein wohlgesinnter reicher Onkel aus Amerika auf den Schwarzen Kontinent kommen und dort sein Füllhorn ausschütten würde. Doch das hat sich als Irrglaube entpuppt. In Westafrika, wo die Islamisten in Mali und in Nigeria auf dem Vormarsch sind, wird neben dem Handel vor allem die Sicherheit im Vordergrund stehen. Erst zu Jahresbeginn haben die USA mit dem Wüstenstaat Niger ein Abkommen über die Einrichtung einer neuen Basis für Drohnen geschlossen, die auch die Aktivitäten der Islamisten im Norden Malis überwachen sollen. Bislang befindet sich Amerikas einzige ständige Militärbasis auf dem afrikanischen Kontinent in Dschibuti, also im äußersten Osten und damit zu weit entfernt von den aktuellen Brandherden. Das Abkommen mit dem Niger ist auch deshalb wichtig, weil Frankreich im Zuge seines Kampfeinsatzes gegen die Islamisten in Mali dringend genaue Informationen über die Aufmarschgebiete und Trainingslager der dortigen Kämpfer braucht.

Ein wichtiges Zeichen für seine künftige Politik gegenüber Afrika hat Obama bereits dadurch gegeben, dass ihn auch seine zweite Visite auf dem Kontinent nicht in die kenianische Heimat seines verstorbenen Vaters führen wird, was dort für Unmut sorgte. Der Grund dafür, dass Obama die Wirtschaftslokomotive im Osten des Kontinents auch dieses Mal umfährt: Gegen Staatschef Uhuru Kenyatta und dessen Vize läuft eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Ihnen wird vorgeworfen, bei den Wahlen 2008 die blutigen Stammesunruhen mitangezettelt zu haben. Vergangene Woche hatte der Gerichtshof den Prozessbeginn gegen Kenyatta auf den 12. November verschoben. Wäre es bei dem eigentlichen Datum Anfang Juli geblieben, hätte Obama seinem kenianischen Gegenüber nur wenige Tage vor dem Verfahren womöglich die Hand schütteln müssen. „Barack Obama mag zwar ein halber Kenianer sein, aber er ist nicht sentimental“, kommentierte Richard Dowden, Direktor der britischen Royal African Society.

Am Wochenende wird Obama in Südafrika Station machen. Als ausgeschlossen gilt, dass er im Verlauf seines Besuches in Pretoria den schwer kranken Nelson Mandela im Krankenhaus besuchen wird. Angesichts des lebensbedrohlichen Zustandes des 94-Jährigen gilt dies als höchst unwahrscheinlich. Michele Obama war während einer privaten Reise im vergangenen Jahr die letzte hochrangige Person aus dem Ausland, die Mandela traf.

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