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Politik: Bieterwettlauf mit Neonazis

In Delmenhorst wollen Bürger den Kauf eines Hotels durch Rechtsextremisten verhindern

„Eigentlich ist es eine Schnapsidee“, sagt Günter Feith, „aber wir machen es trotzdem.“ Der 58-jährige Architekt aus Delmenhorst bei Bremen plant gemeinsam mit dem Steuerberater Gerd Renker Unglaubliches: Die beiden Parteilosen wollen bis zu 3,4 Millionen Euro sammeln, um dem Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger ein zum Verkauf stehendes Hotelgebäude vor der Nase wegzuschnappen. Bisher war die kreisfreie 80.000-Einwohner-Stadt vor allem als Geburtsort der Pop-Sängerin Sarah Connor bekannt. Jetzt macht Delmenhorst Schlagzeilen mit geballtem Bürgerprotest gegen das von Rieger geplante Tagungs- und Schulungszentrum im leer stehenden „Hotel am Stadtpark“.

„Widerstand gegen Hotel-Verkauf. Nazi-Zentrum verhindern“ – das ist nicht etwa eine Parole von Linken, sondern so steht es auf der städtischen Internetseite. Sie verrät auch, dass in Delmenhorst „Schock und Entsetzen“ herrschen. Denn Rieger will im Namen der rechtsextremen „Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation“ Mitte August das frühere 100-Zimmer-Haus in bester Citylage kaufen, für stolze 3,4 Millionen Euro. Der wegen Körperverletzung und Volksverhetzung vorbestrafte Rechtsanwalt möchte das knapp 30 Jahre alte Gebäude unter anderem für NPD-Parteitage nutzen – für viele Delmenhorster eine unerträgliche Vorstellung.

So auch für Oberbürgermeister Carsten Schwettmann, der eigens seinen Urlaub unterbrach, um über Gegenschritte zu beraten. „Wir werden alles unternehmen, was uns rechtsstaatlich zu Gebote steht, um eine solche Entwicklung zu verhindern“, versprach der CDU-Politiker. Aber die Stadt kann nicht verbieten, dass der verschuldete Hotelbesitzer Günter Mergel sein vor 14 Monaten dichtgemachtes Pleiteobjekt verkauft. Und alle Appelle, es nicht Rieger zu überlassen, prallen an dem 64-Jährigen ab: Niemand sonst wolle das Gebäude haben, und er brauche dringend das Geld. Allein für aufgelaufene Nebenkosten brauche er bis zu 100 000 Euro, sagte er dem Tagesspiegel. Gegenüber der Lokalpresse sprach Mergel schon von Selbstmordgedanken. Bei dem Besitzer ist also nichts zu machen – außer mit Geld.

Daher gehen jetzt Feith und Renker ans Spendensammeln. Am Ende wollen sie aber nicht selber Käufer spielen, sondern das Geld der Stadt überlassen: Der Erlös, notfalls aufgestockt durch Steuergelder, soll es dem Rathaus ermöglichen, als Bieter einzusteigen. Bisher hatte die Stadt einen Kauf abgelehnt, aber seit Riegers Auftritt schließt sie nichts mehr aus. Wenn sie genauso viel bietet wie der Anwalt, würde Mergel an sie veräußern. Fragt sich nur, was die Stadt mit dem Haus anfangen soll. Der Besitzer sieht für ein Hotel keine Chance mehr: Zweimal im Jahr sei wegen Kirmes die Zufahrt gesperrt, und jedes Wochenende gebe es Lärm durch türkische Hochzeiten in benachbarten städtischen Sälen: „Musik von links und von rechts – und nachmittags Hupkonzerte.“

Umso gruseliger die Vorstellung, dass in diesem Umfeld Ausländerfeinde einziehen. Und das Delmenhorster „Hanse-Wissenschaftskolleg“ befürchtet, dass seine internationalen Gäste vergrault werden. Die örtliche Kaufmannschaft prophezeit „eine Katastrophe für die Stadt“. Ein breites Protest-Bündnis will extra ein täglich besetztes Aktionsbüro beim DGB einrichten. Wie aussichtsreich die Spendenaktion ist, weiß auch Initiator Feith nicht. Aber er ist „begeistert, wie viele Leute unterschiedlicher Couleur mitmachen wollen – es ist einfach toll“. Und sie haben ein Vorbild: Im 50 Kilometer entfernten Verden verhinderten Bürger mit einer Spendensammlung die drohende Zwangsversteigerung der Stadthalle – und damit den befürchteten Kauf durch Rieger.

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