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Politik: Bildung für jedermann

Von Bernhard Schulz

Im Triumphzug ist sie heute Nacht zurückgekehrt. Endlich kann sie wieder Besitz von ihrer Insel nehmen – der Museumsinsel, von der sie 62 Jahre lang vertrieben war. Die Büste der ägyptischen Königin Nofretete, die nun im Alten Museum Hof hält, ist Prachtstück und Sinnbild der Staatlichen Museen, die damit ihren 175. Geburtstag feiern. Mit Nofretetes Einzug in den Gründungsbau jenes heute 17 Einrichtungen umfassenden Verbundes wird der Charakter des Universalmuseums auf der Insel in geradezu volkstümlicher Weise sichtbar.

Alljährlich drei Millionen Besucher verzeichnet die Museumsinsel. Ihre Zahl wird künftig noch steigen. Erst im Verbund der fünf Häuser auf der Spreeinsel, in die im Laufe ihrer Sanierung bis 2015 nach und nach die angestammten Sammlungen zurückkehren werden, kommt die Weltgeltung der Berliner Museen zur vollen Anschauung. Doch schon der erste Bau, Schinkels Altes Museum am Lustgarten, war als Universalmuseum angelegt, wie es die Widmungsinschrift selbstbewusst verkündet: gewidmet dem Studium jedweder Altertümer und der Künste. Modern gesagt: der Weltkultur. Das macht seine Eigenart aus. In Berlin wurde erstmals ein auf wissenschaftliche Prinzipien gegründetes Weltmuseum geschaffen. Allein schon sein Standort im stolzen Gegenüber zum Schloss unterstreicht den bürgerlichen Anspruch auf Bildungsteilhabe für jedermann.

Was könnte aktueller sein als dieser zutiefst bürgerliche, humanistische Anspruch? Preußen schuf sich nach der Niederlage gegen Napoleon neu als Staat der Wissenschaften und Künste. Die Gründung der Berliner Universität zwei Jahrzehnte vor Eröffnung des Alten Museums war das Signal. In einer umfassend verstandenen Bildung sah das verarmte Preußen seine wichtigste Ressource. Die schnell wachsenden Museen waren stets Teil dieses umfassenden Bildungsprogramms. Gewiss mit aufklärerischem Pathos, doch ohne erhobenen Zeigefinger: „Erst erfreuen, dann belehren“, lautete die berühmte Devise, die Schinkel und Humboldt ihrem Museum 1830 auf den Weg gaben. Auch sie ist aktuell – und aktueller als alle schnell schal werdende Eventkultur, die heute schon wieder von gestern ist. Angesichts der Herausforderungen der Globalisierung wissen wir besser, welchen überlebensnotwendigen Wert Bildung besitzt. Spätestens die Pisa-Studie hat eine breite Öffentlichkeit darauf gestoßen.

Nach 175 Jahren sind die ehemals Preußischen, nunmehr Staatlichen Museen so nahe an ihrem hochgestimmten Ursprung wie nur je in ihrer wechselvollen Geschichte. Noch ist die Museumsinsel eine Baustelle. Doch Nofretetes Rückkehr ist Ansporn, die milliardenteure Sanierung energisch voranzutreiben. Im Herzen Berlins nimmt jenes Universalmuseum wieder Gestalt an, das es bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bereits war. Das gilt ungeachtet aller gesellschaftlichen Wandlungen. Aus der kleinen Schicht des Bildungsbürgertums, das ehrfürchtig den Schinkel-Bau betrat, ist das Millionenpublikum der Besucher aus aller Welt geworden, das zuallererst die Glanzstücke sehen will. Doch die Museen bieten mehr – und müssen es ihren Besuchern nahe bringen. Nofretete steht nur an der Spitze jenes großartigen Angebots, das in Abertausenden von Sammlungsstücken gespeicherte Wissen über die Kunst der Welt erfahrbar und verständlich zu machen – für jedermann. Das ist der Auftrag der Berliner Museen seit 175 Jahren – ihr Teil des Bildungsangebots für unsere (Welt-)Gesellschaft.

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