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Politik: „Bildung ist auch Aufgabe des Währungsfonds“

Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul fordert mehr Fairness bei der Kreditvergabe an arme Länder und kritisiert die US-Vorbehalte gegen den Weltbankchef

Frau Ministerin, wird die Entwicklungspolitik im Jahr 2005 in der Bundesregierung mehr Gewicht erhalten als bisher?

Das nächste Jahr wird weltweit sehr wichtig für die Entwicklungspolitik, und wir wollen dazu unseren Beitrag leisten. Die Vereinten Nationen wollen sich in diesem Jahr reformieren, auch um den Kampf gegen die Massenvernichtungswaffen, Hunger und Armut besser führen zu können. Im Herbst soll eine Konferenz prüfen, wie nahe die Staaten den so genannten Millenniumszielen gekommen sind, weltweit bis 2015 die Armut zu halbieren, bessere Bildungsangebote und Gesundheitsversorgung zu schaffen. Und Ende des Jahres sollen in Hongkong die Verhandlungen über den Welthandel abgeschlossen werden, die so genannte DohaRunde. Dabei geht es vor allem um bessere Marktzugangsmöglichkeiten für die Entwicklungsländer.

Wird das mehr als nur Wortgeklingel?

Ich hoffe, dass sich die Weltgemeinschaft dazu durchringt, auch finanziell neue Anstrengungen zu unternehmen, denn es gibt keine kostengünstigere Investition in unsere Sicherheit als Entwicklungspolitik.

Jeffrey Sachs, der Entwicklungsökonom und Sonderberater des UN-Generalsekretärs, beklagt, die Deutschen würden im Entwicklungssektor keine politische Führung zeigen und damit die Chance vergeben, dass Europa eine Vorreiterrolle im Kampf um globale Stabilität einnimmt.

Das ist falsch. Ein Beispiel: In Europa hat meine Initiative dazu beigetragen, dass wir einen in der EU abgestimmten Zeitplan ausarbeiten, um das Ziel zu erreichen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Eben ist eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam mit Bewertungen aus Sicht der Entwicklungsländer erschienen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Deutschen unkompliziert und nachhaltig Unterstützung leisten. Darauf bin ich sehr stolz. Das zeigt mir, dass unsere Arbeit weltweit hoch anerkannt ist.

Der Kernvorwurf von Jeffrey Sachs lautet, dass Deutschland und Europa nicht genug Druck auf die USA ausüben, um die Erfüllung der Millenniumsziele wirklich voranzubringen.

Auch dieser Vorwurf ist nicht richtig. Europa hat durchaus politische Strategien entwickelt, um die USA zu einem stärkeren Beitrag zur internationalen Entwicklungspolitik zu drängen. Die EU gibt sich im Frühjahr und damit im Vorfeld der UN-Konferenz im Herbst einen Zeitplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels. Diese Festlegung setzt dann die US-Regierung unter Druck, sich auch zu bekennen. Dieser Mechanismus hat auch im Vorfeld anderer internationaler Entwicklungskonferenzen schon funktioniert.

Ist nicht die treibende entwicklungspolitische Kraft in Europa die britische Regierung, in der Premierminister Tony Blair und seine Minister an einem Strang ziehen, während in Deutschland der Kanzler in diesen Fragen keine Führung zeigt?

Das sehe ich nicht so. Hat denn Gerhard Schröder in der Ablehnung des Irak-Krieges etwa keine Führung gezeigt? Es ist aber gut, dass Großbritannien im Jahr 2005 die G8-Ratspräsidentschaft übernimmt und damit wichtige entwicklungspolitische Initiativen aus London vorankommen. Ich denke etwa an die von Finanzminister Gordon Brown zur Beschleunigung des Schuldenabbaus.

Aber Wirtschaftsminister Wolfgang Clement stellt sich bei der Welthandelsorganisation (WTO) demonstrativ gegen die Entwicklungsstaaten, Finanzminister Hans Eichel lehnt weiteren Schuldenerlass rigoros ab, der Einsatz von Verbraucherministerin Renate Künast gegen das Dumping von EU-Agrarprodukten zu Lasten der Bauern in den armen Staaten ist gering ...

Sie tun meiner Kollegin und meinen Kollegen Unrecht. Wir machen in der Regierung viel und sind international dafür sehr angesehen. Aber die Entwicklungspolitik steht in Deutschland nicht im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Zudem sind die Handlungsspielräume eines Landes begrenzt, das einen Transfer innerhalb des Landes von 80 Milliarden Euro pro Jahr zu leisten hat.

Warum fordern Prominente dann in Anzeigen den Kanzler auf, beim G8-Gipfel im kommenden Jahr ein Sofortprogramm zur Armutsbekämpfung zu beschließen, das bessere Entwicklungshilfe und Schuldenerlass unterstützt?

Wir haben in diesem Bereich sehr viel erreicht. So hat die Bundesregierung 1999 maßgeblich die Entschuldungsinitiative vorangetrieben. Aber sicherlich bleibt angesichts der drängenden Probleme vor allem in Afrika immer noch viel zu tun. Deshalb begrüße ich das Engagement der Prominenten als einen wichtigen Impuls für eine gerechtere Welt. Während des G8-Gipfels im Jahr 2005 werden deshalb auch die notwendigen Entscheidungen zu treffen sein, da bin ich mir ganz sicher.

Weltbank und Internationaler Währungsfond (IWF) fordern für ihre Kredite häufig die Erfüllung von Bedingungen, die wirtschaftliche Entwicklung geradezu verhindern. So wurden viele afrikanische Staaten gezwungen, ihre heimischen Industrien aufzugeben. Warum beenden Sie und Ihre Kollegen im Gouverneursrat der Weltbank diese Praxis nicht?

Es dauert immer, bis Entscheidungen in der Spitze der Weltbank auch praktische Wirkung zeigen. Es ist doch schon einiges erreicht: Früher wurde starr nur auf die Haushaltssanierung gesetzt. Heute geht die Armutsbekämpfung vor, Investitionen etwa in Bildung und Gesundheit müssen auch vom IWF akzeptiert werden. Dafür hat sich Deutschland stark gemacht. Aber wir müssen alles tun, dass diese Reformen nicht zurückgedrängt werden, die mit dem Namen des Weltbank-Präsidenten James D. Wolfensohn verbunden sind.

Woher rührt diese Gefahr?

Die Amtszeit von Wolfensohn läuft im Mai aus. Aus Sicht der Bundesregierung hätten wir alles Interesse daran, dass er seine Reformarbeit fortsetzen kann, weil er sich um bessere Chancen für die armen Länder bemüht. Aber traditionsgemäß liegt das Vorschlagsrecht bei der amerikanischen Seite.

Warum missfällt Wolfensohns Arbeit der US-Regierung?

Da müssen Sie in Washington fragen.

Aber auch einige Ihrer Programme sind umstritten. Warum bezahlen wir Entwicklungsprojekte in Ländern wie China und Indien, die Weltraumfahrt betreiben, Atomwaffen produzieren und mit uns auf dem Weltmarkt konkurrieren?

Es gibt Staaten, deren Kooperation notwendig ist, um bei der Lösung globaler Probleme voranzukommen. Wir nennen sie Ankerländer. Dazu gehören neben China ganz sicher Indien, Brasilien und Südafrika. So kann es etwa ohne China mit seinen 1,3 Milliarden Menschen keinen Fortschritt beim Kampf gegen den Klimawandel geben. China ist nach den USA der weltweit größte CO2-Emittent. Wenn China auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz setzt, ist das auch in unserem eigenen Interesse. Außerdem sind deutsche Unternehmen in diesem Bereich weltweit Marktführer. Insofern haben alle etwas davon.

Wenn es um Exportförderung geht, warum macht das nicht das Wirtschaftsministerium ?

Es geht nicht um Exportförderung in neuem Gewand, sondern um folgenden Sachverhalt: Die entwicklungspolitisch wirksamen privaten Investitionen sind weltweit etwa fünf Mal so hoch wie staatliche. Unser Einfluss auf entwicklungspolitisch wichtige Firmenentscheidungen ist also ein wirksamer Hebel. Unternehmen wollen Gewinne machen. Wenn sie in Bereiche investieren, die im Interesse der Entwicklungsländer liegen, ist das doch eine tolle Sache.

Das Gespräch führten Hans Monath und Harald Schumann.

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