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Hört die Regierung auf ihr Volk? Nicht nur Oppositionsführerin Suu Kyi kann das kaum glauben. In Birma gibt es Widerstand gegen Dämme am Irrawaddy. Foto: Nyein Chan Naing/dpa

© dpa

Staudamm-Bau: Birma auf Kollisionskurs mit China

Zeichen politischer Öffnung? / Peking empört über Baustopp für Staudamm

China erhöht nach der Ankündigung von Birmas Präsidenten Thein Sein, den Bau eines chinesisch finanzierten Staudamms auszusetzen, den Druck auf die Regierung. Der Vorsitzende des Staatskonzerns China Power Investment Corporation (CPIC), der den Myitsone-Staudamm im Norden Birmas baut, sagte, er sei „vollkommen überrascht“ gewesen, als Birmas Präsident Thein Sein Ende vergangener Woche einen Stopp der Arbeiten an dem 3,6 Milliarden Dollar teuren Staudamm angekündigt hat. CPIC-Chef Lu Qizhou drohte rechtliche Konsequenzen an. Das Außenministerium in Peking hat Birma dazu aufgefordert, die Interessen chinesischer Unternehmen zu schützen.

Die Erklärung von Thein Sein kam überraschend. Birmas Präsident hat am Freitag das Parlament unterrichtet, dass die bereits angelaufenen Bauarbeiten am Myitsone-Staudamm im Kachin-Staat für die Dauer seiner Amtszeit, also bis 2015, ausgesetzt werden sollen, da der Damm nicht „gegen den Willen des Volkes“ gebaut werden solle. Ein für Birma neues Argument.

Die Kritik an dem Staudamm hat zuletzt massiv zugenommen. Er liegt nur etwa 100 Kilometer von einer aktiven tektonischen Bruchlinie entfernt und damit in einem Erdbebengebiet. Der Damm würde massiv in den Lauf des Irrawaddy-Flusses eingreifen, mit potenziell gravierenden Konsequenzen für die größten Reisanbaugebiete des Landes. Zudem würden geschätzt 90 Prozent des produzierten Stroms nach China fließen. Für den Staudamm sollte eine Fläche in der Größe von Singapur überflutet und mehr als 10 000 Menschen müssten umgesiedelt werden, die meisten von ihnen Mitglieder der Kachin-Ethnie. Seit etwa einem halben Jahr kommt es in der Region deswegen zu bisweilen schweren Zusammenstößen zwischen einer ethnischen Miliz und Regierungseinheiten. 2009 hat ein Team aus birmanischen und chinesischen Wissenschaftlern eine mehr als 900 Seiten lange Studie zu den Folgen des Staudamms erstellt, aus der Teile an die Öffentlichkeit gelangt sind. Darin kommen die Forscher zu dem Schluss, dass der Staudamm nicht gebaut werden sollte.

All das war bekannt, hat jedoch Birmas formell zivile Regierung bislang nicht gestört. Erst vor etwa zwei Wochen sagte Birmas Minister für Elektrizität Zaw Min: „Ich möchte erklären, dass wir das Projekt niemals stoppen werden, bis es fertiggestellt ist.“ Ein Grund für die Kehrtwende ist vermutlich, dass in den vergangenen Monaten auch unter der Mehrheitsbevölkerung des Landes der Widerstand gegen den Staudamm zugenommen hat. Denn der Damm würde das Entstehungsgebiet des Irrawaddy-Flusses überfluten. Der Irrawaddy ist die Lebensader des Landes und wird als Wiege der birmanischen Zivilisation angesehen. Bislang haben sich die Proteste auf die ökologischen und kulturellen Folgen des Staudamms konzentriert. Sie hätten sich jedoch auch schnell gegen die vom Militär dominierte Regierung richten können.

Eine weitere mögliche Lesart ist, dass die Regierung versucht, die starke Abhängigkeit des Landes von China zu verringern. Denn neben dem Myitsone-Staudamm sind sechs weitere chinesisch finanzierte Staudämme am Irrawaddy geplant sowie Erdgas- und Erdöl-Pipelines, die Birmas Arakan-Küste mit Chinas südwestlicher Stadt Kunming verbinden werden. Zudem wird China eine Bahntrasse bauen, wodurch Peking einen Transportkorridor zum Indischen Ozean erhalten wird. Der Widerstand innerhalb Birmas auch gegen diese Projekte wächst. Kritiker bemängeln, dass die kostbarsten Ressourcen des Landes an China verkauft anstatt für den Aufbau der eigenen Wirtschaft genutzt zu werden.

Den vorläufigen Baustopp als Zeichen für eine politische Öffnung des Landes zu betrachten, wäre jedoch verfrüht. Vor zwei Wochen hat ein Gericht in Rangun einen 21-jährigen Mitarbeiter des in Birma verbotenen Exil-Fernsehsenders „Democratic Voice of Birma“, der bereits eine achtjährige Haftstrafe absitzt, zu weiteren zehn Jahren Haft verurteilt. Im August wurde ein Soldat zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil er in Artikeln die Armee kritisiert haben soll. Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi rief vor einigen Tagen die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Entwicklungen in Birma zu beobachten und darauf zu achten, ob es echte Fortschritte gäbe. „Ich glaube, dass der Präsident Reformen möchte“, sagte Suu Kyi. „Aber es muss sich noch zeigen, wie weit diese gehen dürfen.“

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