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© Kai-Uwe Heinrich

Daniel Bahr: "Bis 2014 ist alles finanziert"

Der parlamentarische Staatssekretär im Gesundheitsministerium Daniel Bahr über die Zusatzbeiträge für Rentner und fehlende Gesundheitsprämien.

Es war der Wunsch aller, bei der teilweise zähen Reformdiskussion eine Lösung zu finden. Die Probleme, die wir im Gesundheitswesen haben, lassen sich ja nicht weiter aufschieben. Wir brauchten eine Lösung für das Elf-Milliarden-Defizit im nächsten Jahr. Und wir brauchten ein tragfähiges Konzept, mindestens für die gesamte Legislaturperiode. Beides haben wir gefunden.

Aber erst nach langer Hängepartie...

Das Ergebnis zählt, und das ist ein Kompromiss, in dem sich jeder wiederfinden kann. Die Lasten für das aktuelle Defizit werden fair verteilt. Und es gibt eine Zukunftsperspektive für eine stabilere und gerechtere Finanzierung. Der sozial ausgeglichene Zusatzbeitrag entkoppelt die Gesundheitskosten von den Lohnkosten. Und er macht die Finanzierung des Systems unabhängiger vom Arbeitsmarkt.

Reicht Ihnen das denn: Die Zusatzbeiträge zur Zusatzprämie umzutaufen und auf echte Gesundheitsprämien zu verzichten?

Klar, als FDP wären wir gerne schneller zu einem größeren Prämienanteil gekommen. Aber man muss sehen, was durchsetzbar ist. Entscheidend ist, dass uns der Einstieg gelungen ist. Wir beginnen mit einem Zusatzbeitrag, der sozial ausgeglichen wird. Für die Kassen ist es dadurch nicht mehr von Nachteil, viele Geringverdiener zu haben. Und die Versicherten erhalten ein Preissignal, sie können Beitrag und Leistung genau vergleichen.

Was ist gerecht daran, alle Kostensteigerungen den Versicherten aufzubürden?

Sie werden sie nicht alleine tragen, es gibt ja Steuerzuschüsse. Aber es ist nötig, dass die steigenden Kosten durch die demografische Entwicklung und medizinischen Fortschritt von den Löhnen entkoppelt werden, damit es die Arbeitsplätze nicht belastet. Alle müssen daran fair beteiligt werden, jeder nach seiner Leistungsfähigkeit. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Das gewährleistet das neue System viel besser als die heutige Krankenversicherung.

Sie wollen Rentner und Geringverdiener mit doppelt so hohen Zusatzbeiträgen wie bisher belasten? Was ist daran fair?

Das stimmt nicht. Im Gegensatz zu den heutigen Zusatzbeiträgen erhalten alle künftig einen Sozialausgleich, sodass die zusätzliche Belastung nicht mehr als zwei Prozent des Einkommens ausmacht. Durch die Beitragserhöhung haben wir eine stabile Finanzierung fürs nächste Jahr. Der Zuschuss aus Steuern ist auch noch mal gestiegen. Um eins aber kommen wir nicht herum: Dass Gesundheit teurer wird. Zum Nulltarif gibt es keine Spitzenmedizin. Und gerade für Rentner und Geringverdiener ist es wichtig, Zugang zu einem leistungsfähigen Gesundheitssystem zu haben.

Wie seriös ist denn die Festlegung, dass für den Sozialausgleich keine Steuern erhöht werden müssen?

Bis 2014 ist auf jeden Fall alles finanziert. Danach müssen die Zuschüsse nur moderat steigen. Aber das nimmt die Politik nicht aus der Pflicht, weiter auf die Kosten zu achten. Wir haben ja noch viele Effizienzreserven, etwa im Zusammenspiel von stationärer und ambulanter Versorgung. Außerdem braucht es mehr Anreize für gesundheitsbewusstes Verhalten.

Warum soll in vier Jahren klappen, was jetzt nicht klappt – dass der Finanzminister mehr Geld herausrückt?

Wir liegen ja jetzt schon bei 15 Milliarden Steuerzuschuss, vor einigen Jahren hätte uns das noch keiner zugetraut. Aber wir kommen in einer alternden Bevölkerung auch nicht darum herum, dem Gesundheitssystem Steuermittel zur Verfügung zu stellen – wenn wir das bisherige Leistungsniveau halten wollen. Außerdem ist das Gesundheitswesen der größte Arbeitgeber in Deutschland, hier entstehen die Jobs der Zukunft. Es lohnt sich, in Gesundheit zu investieren.

Die Kassen bekommen nun drastisch mehr Geld. Wird das System dadurch nicht noch stärker zum Selbstbedienungsladen?

Darauf haben wir geachtet. Ein Drittel des Defizits müssen die Leistungserbringer tragen. Und das Sparpaket wirkt nicht nur kurzfristig. Es werden auch dauerhaft Anreize gesetzt, so effizient wie möglich mit den Mitteln umzugehen.

Die Kassen sagen, man hätte bei Ärzten und Kliniken viel mehr sparen können.

Nicht alles können wir entscheiden. Die Krankenhausplanung etwa liegt in den Händen der Länder. Deshalb ist ein Ergebnis nur schrittweise zu erreichen. Wir werden dazu aber in den nächsten Monaten weitere Vorschläge machen.

Warum bleiben die Apotheker außen vor? Weil sie FDP-Wähler sind?

Nein, auch die Apotheken leisten ihren Beitrag. Wir haben bereits im Arzneisparpaket durchgesetzt, dass sich die Großhandelsrabatte für Apotheken um 400 Millionen Euro verringern.

Was haben Sie aus den vergangenen Monaten gelernt?

Dass politische Prozesse manchmal viel länger dauern, als wir uns das vorgestellt haben. Nun wissen wir, dass alles einen ausgiebigen Diskussionsprozess erfordert – egal was man vorlegt.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

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