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Politik: Bloß keinen linken Liberalen

In der Union fragt man sich: Will Westerwelle mit Rot-Grün einen FDP-Präsidentschaftskandidaten ins Amt heben?

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Von Robert Birnbaum

und Robert von Rimscha

Offiziell ist das Thema gar kein Thema. Bei der FDP nicht – sie werde „in aller Ruhe eine kluge Entscheidung treffen“, sagt der Parteivorsitzende Guido Westerwelle, und zwar im März nach der Hamburg-Wahl vom 29. Februar. Das FDP-Präsidium hat diesen Zeitplan bestätigt. Alle drei Stellvertreter Westerwelles haben versichert, sie drängten entgegen anders lautenden Berichten nicht zur Eile. Und Vize Walter Döring aus Baden-Württemberg hat, anders als er das vorher via „Rheinische Post“ angekündigt hat, auch nicht die Benennung eines eigenen Kandidaten beantragt. Was sich die FDP aber natürlich, sagt wieder Westerwelle, weiter vorbehalte.

In der Union ist das Thema amtlich auch kein Thema – die Spitzenrunde von CDU und CSU hat am Sonntagabend ebenfalls nur befunden, dass es klug und alternativlos von CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber sei, bis zum März abzuwarten und dann mit der FDP weiter zu reden.

Jenseits des Offiziellen aber könnte die Stimmung unterschiedlicher nicht sein: frohgemut bei der FDP, außerordentlich besorgt bei der Union und besonders bei der CDU. Zunehmend fürchten die Christdemokraten um Parteichefin Merkel, dass das Gedankenspiel der FDP mit einem eigenen Kandidaten ernst gemeint sein könnte – oder eine solche Eigendynamik entwickelt, dass Westerwelle nicht mehr anders kann, als dem Ruf nach Eigenständigkeit zu folgen. Zumal unklar ist, ob er dem Ruf nicht sowieso gerne folgen würde.

Dass Westerwelle erst am Montag wieder die Union davor warnte, mit ihrem Steuerreform-Kurs die „gemeinsame Oppositionslinie“ zu verlassen, gilt in der Union als dezenter Hinweis auch auf andere Gemeinsamkeiten. Und der Ruf nach liberaler Eigenständigkeit ertönt längst nicht mehr nur aus dem Mund bekannter Westerwelle-Gegner. Auch einflussreiche Liberale, die dem FDP-Chef nicht übel wollen, arbeiten insgeheim am Projekt FDP-Staatsoberhaupt. Manche würden dafür sogar in Kauf nehmen, dass von einer Präsidentenwahl im Ampelbündnis Rot-Gelb-Grün das falsche Koalitionssignal für 2006 ausgehen würde. „Bis dahin ist das vergessen. Und die Union hat sowieso keinen anderen Partner. Aber wir hätten das Amt“, sagt ein FDP-Spitzenmann.

In der Union ist die Sorge vor diesem Ausgang so groß, dass schon halblaut Szenarien ausgesprochen werden, an die bis vor kurzem nicht einmal gedacht wurde: Und was, wenn wir doch einem FDP-Kandidaten ins höchste Staatsamt verhelfen? Denn das Schlimmste, heißt es in Parteikreisen, wäre eine linksliberale FDP-Kandidatin wie Cornelia Schmalz-Jacobsen, die mit den Stimmen von Rot-Grün gewählt würde. Dann schon lieber einem bürgerlich-liberalen FDP-Kandidaten wie Wolfgang Gerhardt im Vorfeld den Segen der Union geben.

Selbst CSU-Chef Edmund Stoiber sagt inzwischen, ausschließen könne man „überhaupt nichts“. Und als entscheidend bezeichnet Stoiber, der sich noch kürzlich für Wolfgang Schäuble stark gemacht hatte, im ARD-Morgenmagazin nicht etwa die Wahl eines Unionskandidaten. Entscheidend nennt es Stoiber vielmehr, dass Union und FDP einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen. Dabei ist allen in der Union klar, dass der Verzicht auf den eigenen Kandidaten für Merkel eine üble Niederlage wäre, womöglich Schlimmeres. So wird versichert, die Sache sei „nicht gelaufen“; Merkel habe noch mehrere Optionen. Nur welche, sagt keiner.

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