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Politik: Bündnis 90/Die Grünen: Power-Frau gesucht

Mitten in der brodelnden Gerüchteküche will Andrea Fischer nicht mehr stehen. "Befürchtungen", sie strebe nach Höherem oder gar nach dem Parteivorsitz der Grünen, wolle sie gleich zerstreuen, sagt die zurückgetretene Gesundheitsministerin.

Von Matthias Meisner

Mitten in der brodelnden Gerüchteküche will Andrea Fischer nicht mehr stehen. "Befürchtungen", sie strebe nach Höherem oder gar nach dem Parteivorsitz der Grünen, wolle sie gleich zerstreuen, sagt die zurückgetretene Gesundheitsministerin. "Das war sehr klar", meint eine Teilnehmerin der traditionellen Fraktionsklausur von Bündnis 90/Die Grünen in Wörlitz bei Dessau.

Es ist eine sehr emotionale Rede, in der Andrea Fischer hinter verschlossenen Türen ihren Rücktritt erläutert. "Ein starker Abgang", sagt eine Abgeordnete - und einer ganzen Reihe von Teilnehmern stehen die Tränen in den Augen. "Fast könnte man meinen, das beste an meiner Arbeit war der Rücktritt", sagt Fischer - und genießt, wie alle widersprechen. Respekt vor dem Rücktritt, Lob für die Souveränität von Andrea Fischer, dieser Tenor bestimmt fast alle Redebeiträge in der Aussprache zur Generaldebatte. "Eine unheimlich ehrliche Rede" habe die Ex-Ministerin gehalten, lobt ein Teilnehmer.

Es ist ein harmonischer Auftakt der Fraktionsklausur, was gewiss daran liegt, dass alle im Saal um die Probleme wissen, die die Rochade im Kabinett mit sich bringt. Es wird schwer, eine Nachfolgerin für Renate Künast im Parteivorsitz zu finden. Von einem "Riesenloch" spricht die Abgeordnete Claudia Roth. Sie ist auch eine der wenigen, die öffentlich bedauern, dass nicht die zunächst gehandelte NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn Chefin des Verbraucherressorts an der Spree geworden ist. Aber bei der anschließenden Abstimmung votiert dann auch Roth für die Berufung von Künast: Einstimmig werden die neuen grünen Posten im Kabinett von der Fraktion gebilligt, neben Künast ging es um die Berufung von Margareta Wolf als Staatssekretärin bei Wirtschaftsminister Werner Müller. Und mehrere Redner stellen die Chancen heraus, die in einem grün-geführten Agrar- und Verbraucherministerium liegen.

Die Entscheidung, wer neue Parteichefin der Grünen neben Fritz Kuhn wird, fällt nicht in Wörlitz. Aber dennoch beschäftigt die Frage alle Teilnehmer, vor allem in den Gesprächen auf den Fluren. Auf dem Bundesparteitag im März in Stuttgart soll die derzeit nur halb besetzte Doppelspitze wieder komplettiert werden. Namen? Sie habe "nicht einmal einen Hauch einer Ahnung", sagt die scheidende Parteichefin Künast. Und die Dresdner Bundestagsabgeordnete Antje Hermenau meint: "Das ist völlig nebulös. Es ist schlecht für die Grünen, dass sie keine Frau haben, die durchstarten kann."

Viele genannte Kandidatinnen, etwa die bayerische Landeschefin Margarethe Bause oder die frühere Bundesvorstandssprecherin Antje Radcke, haben inzwischen abgewunken. Aus der Bundestagsfraktion wird noch Claudia Roth gehandelt, auch wenn sie selbst im linken Lager nicht die volle Unterstützung hat. Fraktionschefin Kerstin Müller: "Es muss eine Frau sein, die die Power mitbringt, die Partei gemeinsam mit Kuhn in den Wahlkampf zu führen."

Die Partei hofft bei der Suche nach einer Power-Frau auf einen Überraschungs-Coup ihrer Strategen. Eine Kampfabstimmung auf dem Stuttgarter Parteitag kurz vor der Baden-Württembergischen Landtagswahl soll tunlichst vermieden werden. "Hoffentlich holen die nicht wieder so einen No-Name hervor", mahnt die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz. Doch dem will Fritz Kuhn vorsorglich widersprechen. Er sei für ein "gleichberechtigtes Team", versichert er den Abgeordneten. Und den wartenden Journalisten sagt er, dass er natürlich bereits ein "paar Namen" im Kopf habe, über die er aber öffentlich nicht spekulieren wolle. Schon zuvor hatte er sich mit dem Satz zitieren lassen, dass man die Liste der Landesvorstände durchgegangen sei: "Da drängt sich niemand auf." In der Satzung sei nur festgelegt, dass es eine Frau sein muss. "Alles andere ist offen." Also doch die große Unbekannte? "Es wird kein No-Name sein", versichert Kuhn: "In Deutschland hat ja jeder einen Namen."

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