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Bundesagentur-Bericht: Arbeitslosigkeit fällt unerwartet stark

Die Arbeitslosenquote ist im Mai überraschend stark gesunken; sie liegt nun bundesweit bei 10,8 Prozent. Es ist der stärkste Rückgang binnen eines Monats seit 1990. BA-Chef Weise sprach von einer "erfreulichen Entwicklung".

Nürnberg/Berlin - Mit einem Rekordrückgang der Arbeitslosigkeit im Mai hat sich nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) die seit Jahresanfang spürbare Entspannung auf dem Arbeitsmarkt fortgesetzt. Nach BA-Angaben sank die Zahl der Erwerbslosen in Deutschland im Mai um 255.000 auf 4.535.000. Das sei der stärkste Rückgang binnen eines Monats seit der Wiedervereinigung 1990. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ging die Zahl arbeitsloser Frauen und Männer um 349.000 zurück. Die Arbeitslosenquote sank binnen Monatsfrist um 0,7 Punkte auf 10,8 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 11,8 Prozent gelegen.

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, sprach von einer erfreulichen Entwicklung. «Der Rückgang ist viel deutlicher ausgefallen als im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre», sagte der BA-Chef am Mittwoch in Nürnberg. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sah hingegen noch keine Wende am Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft bleibe gefordert, mehr Stellen und Ausbildungsplätze zu schaffen, sagte er. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erklärte, auch wenn man noch nicht von einer «grundlegenden Wende» sprechen könne, so sei man doch auf dem richtigen Weg.

Berlin: Nun weniger als 300.000 ohne Job

Die Arbeitslosenzahl in Berlin ist unter die Marke von 300.000 gesunken. Zum Monatsende waren 297.083 Menschen arbeitslos gemeldet, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch mitteilte. Das waren 8938 Frauen und Männer weniger als im April und 28.581 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote sank im Vergleich zum Vormonat um 0,5 Punkte auf 17,7 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 19,3 Prozent gelegen.

Die Frühjahrsbelebung habe sich damit fortgesetzt, erläuterten die Experten der Arbeitsagentur. Verarbeitendes Gewerbe, Öffentliche Verwaltung und der Bau verzeichneten den höchsten Arbeitsplatzabbau, während es unter anderem bei Gastgewerbe und Verkehr Zuwächse gab.

Die Jahl der älteren Arbeitslosen über 55 Jahre verringerte sich im Mai auf 30.450. Das waren 742 weniger als im April und 5802 weniger als vor einem Jahr. Bei jungen Leuten unter 25 Jahren sank die Erwerbslosenzahl im Vergleich zu April um 2322 auf 31 661. Das waren auch 5826 weniger als ein Jahr zuvor.

Ende Mai waren in der Hauptstadt 28.618 offene Stellen gemeldet und damit 6003 mehr als vor einem Jahr.

Brandenburg: Quote sinkt auf 17,1 Prozent

Auch auf dem Arbeitsmarkt in Brandenburg hat sich die Frühjahrsbelebung im Mai fortgesetzt. Zum Monatsende waren 227.934 Menschen erwerbslos gemeldet, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch mitteilte. Das waren 14.789 Frauen und Männer weniger als im April und auch 19.210 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote im Land sank im Vergleich zum Vormonat um einen Punkt auf 17,1 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 18,4 Prozent gelegen.

Den höchsten Arbeitsplatzabbau gab es am Bau, im Handel und in der Land- und Forstwirtschaft, erläuterten die Experten der Arbeitsagentur. Mehr Beschäftigte gab es dagegen in der Zeitarbeit, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie bei der Wasser- und Energieversorgung.

Die Zahl der älteren Arbeitslosen über 55 Jahre verringerte sich im Mai im Vergleich zu April um 773 auf 27.768. Das waren aber 368 Frauen und Männer mehr als vor einem Jahr. Bei jungen Leuten unter 25 Jahren sank die Erwerbslosenzahl im Vergleich zu April um 1591 auf 28.220. Das waren auch 2455 weniger als ein Jahr zuvor. Ende Mai waren im Land 21.964 offene Stellen gemeldet und damit 7783 mehr als vor einem Jahr.

Gute Monate für den Stellenmarkt

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet in den kommenden drei bis vier Monaten mit einer weiteren Aufhellung am Arbeitsmarkt. Die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl werde auch im Juni und Juli im Trend der vergangenen Monate bleiben, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Juni, August und September würden gute Monate für den Stellenmarkt werden. Für Juli erwartet Alt dagegen aus saisonalen Gründen einen leichten Anstieg der absoluten Arbeitslosenzahlen.

Alt machte für den starken Rückgang der Arbeitslosenzahlen im Mai unter anderem entlastende Effekte der Hartz-IV-Reform verantwortlich: Langzeitarbeitslose profitierten weiterhin von Ein-Euro-Jobs; auch habe sich in den Jobcentern die Betreuung der Betroffenen verbessert. Erstmals seit Einführung von Hartz IV sei die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger gesunken - und zwar um knapp 60.000 auf 2,919 Millionen. Zugleich gebe es mehr freie Stellen als noch vor einigen Monaten.

Zugleich räumten Alt und Weise zahlreiche Sondereffekte ein, die den starken Rückgang der Jobsucher im Mai relativierten. So habe sich der Frühjahrsaufschwung wegen der auf Mitte des Monats vorgezogenen Zähltage in das späte Frühjahr verschoben. Diesen Effekt habe der lange Winter noch verstärkt. Auch der späte Ostertermin habe zu einer verzögerten saisonalen Belebung des Arbeitsmarktes geführt, die sonst schon im April einsetze. Unter dem Strich bleibe aber eine positive Tendenz. Dies verdeutliche auch die Entwicklung der um saisonale Schwankungen bereinigten Arbeitslosenzahl. Allein im Mai sei sie um 93.000 zurückgegangen.

Gedämpft wird die Zuversicht der BA-Führung allerdings durch die zögerliche Besserung bei der Beschäftigtenzahl - dem statistischen Spiegelbild der Arbeitslosenzahl. Nach aktuellen Hochrechnungen sank die Zahl der regulären Arbeitsplätze im März im Vergleich zum Vorjahr um 88.000 auf 25,91 Millionen. Der Anstieg der Gesamtzahl der Erwerbstätigen um 168 000 auf 38,56 Millionen im April sei vor allem auf die Schaffung zusätzlicher Ein-Euro- und Mini-Jobs zurückzuführen.

Auch Opposition ist vorsichtig optimistisch

Der starke Rückgang der Mai-Arbeitslosigkeit sorgte selbst bei der Opposition für vorsichtigen Optimismus. So sprach FDP-Generalsekretär Dirk Niebel am Mittwoch von einer leichten Mai-Entspannung. «225.000 Arbeitslose weniger als im April - das ist ein Fortschritt», erklärte er in Berlin. Dennoch blieben 4,53 Millionen Beschäftigte eine große Herausforderung für die Wirtschaft. Dagegen ist nach Einschätzung der Linkspartei Euphorie fehl am Platz, «denn ein wirklicher Umschwung ist nicht in Sicht», erklärte der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch. Auch der DGB sieht noch keinen Anlass für eine Entwarnung.

Vertreter der beiden großen Regierungsparteien gaben sich jedoch zuversichtlich. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Laurenz Meyer, sagte, die jüngsten Daten zeigten, dass die schwarz-rote Regierung auf dem richtigen Weg sei. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil geht von einer weiterhin positiven Entwicklung aus und macht für die aktuelle Besserung am Arbeitsmarkt das 25-Milliarden-Investitionsprogramm der Bundesregierung verantwortlich. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte, trotz des starken Rückgangs werde sich seine Partei nicht mit viereinhalb Millionen Arbeitslosen abfinden. Weiterführende Reformen seien erforderlich. (tso/dpa)

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