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Nach jahrelangem Rechtsstreit hat das höchste deutsche Finanzgericht dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac wegen tagespolitischem Aktivismus die Gemeinnützigkeit aberkannt

© Boris Roessler / dpa

Bundesfinanzhof: Ein alarmierender Angriff auf Attac

Attac ist keine Volkshochschule, sondern kritisiert radikal Folgen der Globalisierung. Die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, schadet der Demokratie. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Was würde wohl Heiner Geißler, zu Lebzeiten aktiv bei Attac, dazu sagen, dass der Organisation staatliche Steine in den Weg gelegt werden? Attac wird laut einem Urteil des Bundesfinanzhofs ihr gemeinnütziger Status aberkannt. Damit legt der Staat den Kritikern des globalen Finanzsystems den lokalen Geldzufluss ein Stück weit trocken – denn ohne den Vorteil, dass Spenden von der Steuer abzugsfähig sind, leisten sich weitaus weniger Leute das Geben. Außerdem bedeutet das richterliche "Downgrading" einen Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit, zumindest bei so manchen, die Sympathien für Attac hegen. Bei anderen, den Mitgliedern zumal, dürfte sich noch mehr Groll auf "das System" zusammenbrauen.

Entscheidung auf tönernen Füßen

Argumentativ steht die kaum nachvollziehbare Entscheidung auf tönernen Füßen. Die Bundesrichter des fünften Senats erklären, Attac wolle die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung "im Sinne eigener Auffassungen" beeinflussen und habe die Ebene der politischen Bildung verlassen.

Grund für die Einschätzung sollen Attac-Proteste gegen das Abholzen des Hambacher Forsts sein, gegen die EU-Troika, die Deutsche Bank oder Steueramnestien. Tatsächlich ist Attac keine Volkshochschule, sondern übt offen und radikal Kritik an den ökonomischen Verwerfungen der Globalisierung. Niemand muss mit jedem Ziel der Organisation einverstanden sein, um anzuerkennen, dass das in einer rechtsstaatlichen Demokratie ein legitimes Anliegen ist.

Missliebige Organisationen und Vereine finanziell unter Druck zu setzen ist bekannte Taktik undemokratischer Regime und Bananenrepubliken. Wollen solche Staaten die politische Freiheit ohne allzu verdächtige Repressalien einschränken, nutzen sie mit Vorliebe Konstrukte, die Aktivisten finanziell in Bedrängnis bringen und deren Glaubwürdigkeit unterminieren. Gerade die radikalsten Attac-Mitstreiter werden sich durch dieses Urteil dramatisch in ihrem Zorn auf den Kapitalismus bestätigt sehen.

Der integre Christdemokrat Heiner Geißler war eines der prominentesten Mitglieder von Attac. 2007 trat er ein, um "das Recht auf gewaltfreie Demonstration" zu unterstützen. Ihn begeisterte das Engagement von Attac für "die humane Gestaltung der Globalisierung", für demokratische Kontrolle der Finanzmärkte und gegen Steueroasen.

Seinen Tod im September 2017 beklagte die Organisation: "Er wird in der politischen Landschaft als der Mensch fehlen, der einen wichtigen Beitrag geleistet hat, Ideen der Globalisierungskritik in die Mitte der Gesellschaft zu tragen." Aus der Mitte der Gesellschaft, vom Obersten Finanzgericht der Bundesrepublik, kommt jetzt eine Attacke auf Attac - und damit ein alarmierender Angriff auf die Demokratie aus einem ihrer Organe.

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