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Politik: Bundesgericht: Ärzte-Bereitschaft ist keine Arbeitszeit

Erfurter Richter verweisen jedoch auf Notwendigkeit, deutsches Gesetz an Europarecht anzupassen / Mediziner sehen Urteil als Erfolg

Erfurt (dpa/raw). Bereitschaftsdienste von Klinikärzten werden nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vorerst weiterhin nicht als Arbeitszeit anerkannt. Unter Berufung auf das deutsche Arbeitszeitgesetz wiesen die Richter in Erfurt am Dienstag Klagen von Medizinern aus Hamburg und BadenWürttemberg ab, die sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2000 gestützt hatten.

Der Erste Senat stellte jedoch einen Widerspruch zwischen deutschem und europäischem Recht fest und sieht nun den Gesetzgeber am Zuge. „Wir sind ja kein Gesetzgeber“, stellte BAG-Präsident Hellmut Wissmann klar. Zunächst war ein Grundsatzurteil des BAG erwartet worden.

Der Vorsitzende des Klinikärzteverbands Marburger Bund, Frank-Ulrich Montgomery, sprach von einem „Sieg auf ganzer Linie“. Das Gericht habe die Klagen zwar aus rechtsförmlichen Gründen abgewiesen, dem Gesetzgeber aber gleichzeitig aufgetragen, das Arbeitszeitgesetz zu ändern, sagte Montgomery dem Tagesspiegel. Die Klinikärzte böten der Regierung nun an, das Problem gemeinsam und im Rahmen der anstehenden Gesundheitsreform zu lösen.

Burghard Rocke, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, plädierte für eine grundsätzliche politische Entscheidung. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, sagte: „Das Urteil mag ja juristisch in Ordnung sein, aber es löst das Problem nicht: Die Nonstop-Dienste für übermüdete Ärzte hören nicht auf.“ Die gesetzlichen Krankenkassen sehen die Krankenhäuser in der Pflicht, „für vernünftige Arbeitszeitregelungen zu sorgen“.

Nach Angaben von Ärztevertretern wären bei einer Umsetzung der europäischen Entscheidung, die Bereitschaftsdienste zu Arbeitszeit erklärte, bundesweit 15 000 zusätzliche Ärztestellen in Kliniken nötig. Die Mehrkosten bezifferten sie auf mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr. BAG-Präsident Wissmann sagte in der Urteilsbegründung: „Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ist maßgeblich für die deutsche Rechtssituation.“ Bisher hebe das deutsche Arbeitszeitgesetz jedoch hervor, dass Bereitschaftsdienste als Ruhezeit anzusehen sind.

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