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Bundesgerichtshof: Alleinerziehende müssen nicht zwingend Vollzeit arbeiten

Alleinerziehende können unter Umständen auch nach dem dritten Geburtstag des von ihnen betreuten Kindes noch Unterhalt von ihrem Ex-Partner erwarten. Das hat der Bundesgerichtshof jetzt entschieden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Rechtsanspruch von Alleinerziehenden auf Unterhalt durch den Ex-Partner gestärkt. Nach dem am Donnerstag in Karlsruhe verkündeten Urteil können Alleinstehende unter Umständen auch nach dem dritten Geburtstag ihres Kindes selbst dann noch Geld von ihrem Ex-Partner erwarten, wenn ihr Kind ganztägig in der Schule oder Kita untergebracht ist. Eine Vollzeitstelle könne zusammen mit der Betreuung des Kindes am Abend eine ungebührliche Doppelbelastung darstellen. Jedoch ist eine Teilzeitarbeit dem Urteil zufolge unter Umständen ab dem dritten Geburtstag des Kindes zumutbar. (Aktenzeichen: XII ZR 109/05)
  
Die Entscheidung des BGH war mit großer Spannung erwartet worden, da es sich um das erste höchstrichterliche Urteil auf Basis des seit Jahresbeginn gültigen neuen Unterhaltsrechts handelte. Darin werden beim Unterhaltsanspruch getrennte Partner aus einer früheren nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich mit einem geschiedenen Ehepartner gleichgestellt.
  
Der zwölfte Zivilsenat des BGH überließ es nun jedoch den untergeordneten Gerichten, eine nach dem Kindesalter abzustufende Verpflichtung von Alleinerziehenden zur Berufstätigkeit genauer zu prüfen und mit Erfahrungswerten zu möglichen "Fallgruppen" zu unterfüttern. An das Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) verwies der BGH auch den konkreten Fall einer Fernmeldetechnikerin zurück. Diese hatte ihren früheren Lebensgefährten auf unbefristeten Betreuungsunterhalt verklagt, da sie sich um die beiden gemeinsamen Kinder im Alter von sieben und zehn Jahren kümmern müsse.
  
Selbstständigkeit und Alter berücksichtigen
  
Das neue Unterhaltsrecht sieht vor, dass der betreuende von dem anderen Elternteil zunächst nur für die ersten drei Lebensjahre des Kindes vollen Betreuungsunterhalt zu bekommen hat. Dieser Anspruch verlängert sich im begründeten Einzelfall, "solange und soweit dies der Billigkeit entspricht". In welchen Fällen dies möglich ist, war bislang unklar. Dabei sind laut Gesetz besonders die Belange des Kindes - etwa die Frage, wie alt und selbstständig es ist - sowie die Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
  
Aber auch "elternbezogene Gründe" können für eine Unterhaltsverlängerung über die obligatorischen drei Jahre hinaus eine Rolle spielen. Diese gelten dem jetzt ergangenen Urteil zufolge nicht nur bei einst verheirateten Paaren, wo das Gesetz dies ausdrücklich bestimme, sondern auch bei Nicht-Verheirateten. Als Beispiel nannte ein BGH-Sprecher eine gemeinsame Wohnung, die Dauer des Zusammenlebens oder einen gemeinsamen Kinderwunsch. Es gehe um Paare, denen "quasi zur Ehe nur der Trauschein gefehlt" habe - im Gegensatz zur Zeugung eines Kindes bei einem  "One-Night-Stand".
  
Dem Gerichtssprecher zufolge müssen sich alleinerziehende Elternteile, meist Mütter, nach dem Urteil nun zwar darauf einstellen, "dass sie früher wieder anfangen zu arbeiten - aber nicht voll". Die Erwerbspflicht beginne in der Regel nach dem dreijährigen vollen Unterhaltsanspruch, der Umfang des vom Ex-Partner zu zahlenden Unterhalts sowie der dem Alleinerziehenden zumutbaren Erwerbstätigkeit hänge jedoch vom jeweiligen Einzelfall ab. Vor der Reform des Unterhaltsrechts war von geschiedenen Müttern in der Regel erst etwa ab dem achten Lebensjahr des Kindes eine Erwerbstätigkeit verlangt worden.
  
Die Grünen und die FDP im Bundestag begrüßten das Urteil. Die Angleichung der Rechtslage von geschiedenen und nicht-verheirateten Müttern sei gestärkt worden, erklärten die Familien- und Frauenexpertinnen der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk und Ekin Deligöz. Der Anreiz für eine zügige Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit sei richtig, doch führe dies nicht automatisch zu einer Vollzeiterwerbspflicht. Für die FDP-Fraktion erklärte die Rechtsexpertin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, den "tradierten Meinungen" in der Union zur Unterscheidung von Ehe und Partnerschaft sei durch das Urteil "endgültig eine Absage erteilt" worden. (mpr/AFP)

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