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Bundestagspräsidium: Posten bleibt unbesetzt

Die Links-Fraktion im Bundestag verzichtet vorerst auf den ihr zustehenden Posten eines Vizepräsidenten. Denn auch beim vierten Wahlanlauf war Parteichef Lothar Bisky auf Ablehnung gestoßen. Gregor Gysi kritisierte die Abgeordneten scharf für ihre Entscheidung.

Berlin - Nach dem beispiellosen Eklat um ihren Kandidaten Lothar Bisky will die Fraktion der Linkspartei den Posten des Bundestagsvizepräsidenten demonstrativ unbesetzt lassen. Einen solchen Vorgang hat es in der Geschichte des Parlaments noch nie gegeben. Zuvor hatte eine deutliche Mehrheit des Bundestags den Linkspartei-Chef Bisky bei der Wahl auch im vierten Anlauf scheitern lassen. «Das Präsidium bleibt unvollständig - unbefristet», sagte Fraktionschef Gregor Gysi. Seine Fraktion lasse sich den Kandidaten nicht vorschreiben. Bisky sei ein «würdiger Mann». Gysi sprach von einer «Ausgrenzungs-Entscheidung», die Millionen Ostdeutsche treffe.

Bei der geheimen Wahl stimmten 310 Abgeordnete gegen Bisky, 249 votierten für ihn, 36 enthielten sich. Bereits bei der Konstituierung des Bundestags vor drei Wochen war der 64-Jährige in allen drei Wahlgängen durchgefallen. SPD und Grüne hatten zu Biskys Wahl aufgerufen. Aus Union und FDP kam scharfe Kritik an der Kandidatur.

Bisky sagte: «Ich habe verstanden. Die Mehrheit im Bundestag will nicht, dass ich den Bundestag repräsentiere. Das muss ich als Demokrat akzeptieren.» Gysi sagte, es sei offensichtlich nicht gewünscht, dass eine Biografie wie die von Bisky, der der DDR kritisch, aber auch loyal gegenüber stand, Deutschland in irgendeiner Form repräsentiere. «Das gilt dann auch für Millionen Ostdeutsche.» Gysi verwies auf SPD und CDU im Brandenburger Landtag, die Bisky als bisheriger Landtagsvizepräsident unterstützt haben.

Gysi sagte nach eigenen Worten «zynisch», Biskys Biografie habe auch Schwächen. Dieser habe in der Jugend nicht «Mein Kampf» von Adolf Hitler gelesen und sei davon auch nicht begeistert gewesen. «Die zweite Schwäche: Er ist dann auch nicht in die NSDAP eingetreten und er hat auch nicht politisch im Goebbels-Ministerium gearbeitet. Hätte er diese drei Voraussetzungen erfüllt - wie Kurt Georg Kiesinger - dann hätte die Union und auch die FDP gesagt, er kann Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden und ganz Deutschland repräsentieren.» Kiesinger war von 1966 bis 1969 Kanzler der großen Koalition und bis 1945 NSDAP-Mitglied.

Auch der andere Fraktionsvorsitzende, Oskar Lafontaine, sagte, wer keine Probleme hatte, NSDAP-Mitglieder in höchste Ämter zu wählen, sei nicht berechtigt, Bisky Vorwürfe zu seiner DDR-Vergangenheit zu machen. Lafontaine sprach von «Heimtücke» im Bundestag.

Biskys Scheitern dürfte eine Debatte über die Geschäftsordnung des Bundestags zur Wahl der stellvertretenden Bundestagspräsidenten auslösen. Theoretisch kann eine Fraktion keinen Kandidaten durchbringen, wenn die Mehrheit der Abgeordneten keinen ihrer Bewerber akzeptiert. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte den vierten Wahlgang mit den Worten eingeleitet: «Ich wünsche uns gute Beratungen und hoffentlich weise Entscheidungen.» Lammert hatte Bisky nach eigenen Angaben vor drei Wochen gewählt.

CDU-Generalsekretär Volker Kauder sagte: «Ich habe den Ausgang so erwartet.» Er habe wenig Verständnis dafür, dass Bisky sich als Parteichef um das Bundestagsamt beworben habe. Außerdem wurde von Abgeordneten auch Biskys DDR-Vergangenheit angeführt, allerdings ohne konkrete Angaben über ein Fehlverhalten.

Zahlreiche Politiker von SPD, Grünen und der Linkspartei bedauerten Biskys Niederlage. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte: «Ich habe mir gewünscht, dass eine Mehrheit Bisky wählt. Er hätte gut in das Präsidium gepasst.» Grünen- Fraktionschefin Renate Künast sagte: «Das war kein Ruhmesblatt des Parlaments.» (tso/dpa)

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