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Politik: Bundeswehr hatte Kontakt zu Kurnaz

Ministerium bestätigt: Deutsche Soldaten sprachen 2001 in Afghanistan mit dem inhaftierten Bremer

Von Robert Birnbaum

Berlin - Deutsche Soldaten des „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) haben im Winter 2001/02 das US-Gefangenenlager in Afghanistan bewacht, in dem der Bremer Türke Murat Kurnaz einsaß. Nach ersten Ermittlungen des Verteidigungsministeriums hat mindestens einer der Elitesoldaten den Häftling auch angesprochen. Es gebe aber bisher keine Belege für den Vorwurf von Kurnaz, er sei von Deutsch sprechenden Soldaten verhört oder misshandelt worden, so Staatssekretär Peter Wichert am Mittwoch im Verteidigungsausschuss. Die Meldung über die Anwesenheit des Deutschen in dem Lager in Kandahar sei offenbar nur bis zum Stab des damaligen Generalinspekteurs Harald Kujat gelangt und nicht an Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) weitergegeben worden.

Koalitions- wie Oppositionsvertreter nahmen an, dass nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss tätig wird. Unklar blieb, ob sich der Verteidigungsausschuss zum Untersuchungsgremium ernennt oder der Auftrag des laufenden BND-Untersuchungsausschusses um den Fall Kurnaz erweitert wird. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt nun gegen Unbekannt.

Kurnaz war im Dezember 2001 in Pakistan festgenommen und als mutmaßlicher Terrorist nach Kandahar gebracht worden. Er wurde später nach Guantanamo verlegt, dort auch von deutschen Geheimdienstmitarbeitern verhört und diesen August als unschuldig freigelassen. Kurnaz sagt, er sei von Amerikanern gefoltert und in einem Fall in Kandahar von Soldaten misshandelt worden, die Deutsch gesprochen und deutsche Hoheitsabzeichen getragen hätten. Das Verteidigungsministerium hatte daraufhin 100 frühere und noch aktive Soldaten um Auskunft ersucht, die damals in Kandahar waren. Offiziell wird nicht bestätigt, dass es sich um KSK-Angehörige handelte. Von etwa 30 Soldaten steht eine Auskunft noch aus.

Nach Angaben Wicherts und von Ministeriumssprecher Thomas Raabe wussten die Bundeswehrsoldaten von Amerikanern, dass ein Gefangener aus Deutschland in Kandahar einsaß. Auf Bitten der US-Armee hätten die Deutschen das Lager zeitweilig bewacht. Ein Bundeswehrsoldat habe Kurnaz zugerufen: „Du warst wohl auf der falschen Seite.“ Für eine Anwesenheit deutscher Soldaten bei einem Verhör Kurnaz’ oder für dessen Vorwurf, Deutsche hätten ihn an den Haaren gezogen und mit dem Kopf auf den Boden geschlagen, gebe es bisher keine Hinweise.

Abgeordnete kritisierten die Praxis der Geheimhaltung von KSK-Einsätzen. Die Frage sei, „ob die parlamentarische Kontrolle der KSK-Einsätze ausreicht“, so SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels. Winfried Nachtwei (Grüne) nennt die „totale Geheimhaltung von KSK- Einsätzen gegenüber der Öffentlichkeit überzogen“. Sie fördere Mythenbildung. Kurnaz’ Anwalt Bernhard Docke sieht die Glaubwürdigkeit seines Mandanten gestärkt: „Die Versuche, ihn in Misskredit zu bringen, sind grandios gescheitert“, sagte er dem Tagesspiegel. Zwar sei die Misshandlung durch die KSK-Soldaten im Vergleich zur Behandlung durch US-Kräfte für Kurnaz „kein einschneidender Vorgang“ gewesen. Trotzdem sei das Aufschlagen des Kopfes des Gefesselten durch deutsche Soldaten als „Körperverletzung im Amt“ zu werten.

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