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Politik: „Bundesweiter Mindestlohn unmöglich“

NRW-Sozialminister Laumann über die Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik von Schwarz-Rot

Wird die Reform des Arbeitsmarkts eine Hängepartie wie die Gesundheitsreform?

Das hängt ganz von Arbeitsminister Müntefering ab. Damit der Gesetzgebungsprozess zügig beginnen kann, muss die Arbeitsgruppe unter seiner Leitung in den nächsten Wochen zum Abschluss kommen. Der neuerliche Vorschlag der SPD zur Einführung einer negativen Einkommensteuer überfrachtet diesen Prozess allerdings.

Die SPD will damit untere Einkommen entlasten und damit Arbeitsanreize schaffen.

Ich begrüße das Modell und bin froh darüber, dass nun – nach Union und FDP – auch die SPD prinzipiell in die richtige Richtung denkt. Wer arbeitet, muss mehr Geld haben als der, der arbeitslos ist. Allerdings stehen wir hier vor grundsätzlichen Veränderungen des Sozial- und Steuersystems, die in ihren Auswirkungen noch nicht zu überblicken sind. Wenn der Finanzminister die Auswirkungen auf die Haushalte berechnet hat, sollten wir ausführlich darüber sprechen. Allerdings ist die Einführung eines solchen Modells ein sehr großes Rad, das nur mittelfristig gedreht werden kann.

Welche kurzfristigen Ziele verfolgen Sie?

Ganz oben stehen Veränderungen der Zuverdienstregelungen für Hartz-IV-Empfänger. Die Vorschläge des Sachverständigenrates dazu sind in der Arbeitsgruppe unstreitig. Wir brauchen stärkere Anreize für Arbeitslose, mehr als 400 Euro dazuzuverdienen, damit die Betroffenen von Transfers auch unabhängig werden. Der 400-Euro-Minijob hat sich als unkomplizierte Zuverdienstchance für Menschen in Arbeit bewährt und sollte erhalten bleiben. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass ganze Branchen die Regelung für Jobangebote an Arbeitslose missbrauchen. Für die Union ist darüber hinaus der Durchbruch beim Kombilohn entscheidend. Der Arbeitsminister hat Regelungen für Ältere bereits geschaffen, wir wollen diese Möglichkeit auch für jüngere Arbeitslose eröffnen.

Welche Umsetzungschancen sehen Sie bei der Einführung eines dritten Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose?

Das liegt mir sehr am Herzen. Es muss uns gelingen, eine mittelfristige Förderung für Menschen zu finden, die große Probleme haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden. Das ist ein wichtiger Ansatz für bundesweit rund 100 000 Langzeitarbeitslose, allein in Nordrhein-Westfalen werden es dann circa 20 000. Diese Menschen müssen mit Kombilohnmodellen länger gefördert werden, als das mit den gegenwärtigen Zwei-Jahres-Regelungen möglich ist.

Franz Müntefering hat die Bedeutung von Mindestlöhnen bekräftigt.

Wir können in Deutschland keinen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn einführen, denn die Höhe der Löhne in den einzelnen Regionen ist unterschiedlich. Wenn es Verwerfungen in einzelnen Branchen gibt, dann sollten wir – wie es im Bau und bei den Gebäudereinigern geschehen ist – auf Antrag der Tarifpartner Regelungen im Entsendegesetz finden.

Bestehen Sie darauf, dass ältere Arbeitslose länger Arbeitslosengeld I erhalten?

Selbstverständlich. Die finanziellen Auswirkungen haben wir berechnet, sie liegen der großen Koalition vor und müssen dort beraten werden. Und ich gehe davon aus, dass der Unionsteil der Koalition mit Nachdruck an der Umsetzung der Beschlüsse des Dresdner Parteitages arbeitet und unser Vorschlag Teil der Arbeitsmarktreformen in diesem Jahr wird.

Gibt es Spielraum für Beitragssenkungen?

Zwei Drittel aller Arbeitslosen sind mittlerweile im steuerfinanzierten Hartz-IV-System. Das entlastet die Bundesagentur finanziell gewaltig. Die Absicherung im Versicherungssystem ist für die Beitragszahler damit nicht mehr so viel wert. Die Überschüsse der Bundesagentur müssen deshalb an die Versicherten in Form von weiteren Beitragssenkungen zurückgegeben werden.

Zur Gesundheitsreform: Hängt die Zustimmung der Union im Bundesrat an der Reform der privaten Krankenversicherung?

Größtenteils, ein Kompromiss in diesem Bereich würde entscheidend zur Problemlösung beitragen.

Ihr Vorschlag?

Die Gruppe der Menschen, die einen Basistarif im privaten Versicherungssystem in Anspruch nehmen dürfen, muss begrenzt werden auf diejenigen, die aus der Privatversicherung herausgefallen sind.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

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