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Boykott in Bangkok. Die Regierungsgegner haben angekündigt, auf die Abgabe ihrer Stimme zu verzichten. Sie werfen Premier Yingluck Korruption vor.

© Reuters

Thailand vor den Wahlen: Chaos, Kampf und keine Kompromisse

Wenn die Thailänder am Wochenende wählen, droht die Gewalt zu eskalieren. Als sicher gilt zudem: Der politische Konflikt wird auch danach weitergehen.

Die Staatsmacht rüstet auf: 10 000 zusätzliche Polizisten verlegt die Regierung in diesen Tagen in die Hauptstadt. Bereits seit vergangener Woche gelten Notstandsgesetze. Die Sicherheitskräfte sollen gewährleisten, dass jeder Bürger seine Stimme abgeben kann – in Thailand ist das keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Wahl ist der vorläufige Höhepunkt von Thailands politischer Krise, die seit dem vergangenen Herbst zehn Tote und hunderte Verletzte gefordert hat. Wegen des Drucks von der Straße hat Premierministerin Yingluck Shinawatra im Dezember das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angeordnet. Doch den Wahlen wird kein Ende des Machtkampfes folgen, stattdessen droht der Hauptstadt ein blutiger Chaostag. „Ich befürchte eine Eskalation der Gewalt“, sagt Katrin Bannach, Thailandexpertin bei der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok.

Protestführer Suthep Thaugsuban hat seine Anhänger aus der urbanen Mittel- und Oberschicht aufgefordert, die Abstimmung empfindlich zu stören. Statt Wahlen fordert Suthep die Einsetzung eines Volksrats, der Thailands politisches System grundlegend neu ordnen und den Einfluss von Yinglucks mächtigem Bruder, dem Expremier Thaksin, unterbinden soll. Wie genau das geschehen soll, verrät er allerdings nicht. Das Credo der Demonstranten „Reformen vor den Wahlen“, das sie auf Plakaten und T-Shirts gedruckt haben, bleibt vage. Die Opposition wirft der Regierungspartei vor, bei Wahlen stets Stimmen in großem Stil zu kaufen. Beweise blieb sie dafür aber schuldig. Internationale Beobachter hatten bei den vergangenen Wahlen 2011 keine eklatanten Unregelmäßigkeiten entdeckt.

Der Boykott der Wahlen durch die Regierungsgegner dürfte aber noch einen anderen Grund haben: Es gilt als sicher, dass sie verlieren. Seit 1992 konnte die größte Oppositionspartei, die Democrat Party, keine nationalen Wahlen mehr gewinnen. Dank teurer Entwicklungsprogramme hat die Regierung die Einwohner im Norden und Nordosten des Landes auf ihrer Seite – und die sind in Thailand nun einmal in der Überzahl. Erst vereinzelt wenden sich Reisbauern aus dieser Region von der Regierung ab, weil versprochene Subventionen nicht rechtzeitig ausgezahlt wurden. Yinglucks Aussicht auf eine satte Mehrheit dürfte das aber nicht gefährden.

Die siegessichere Regierungschefin drängte in den vergangenen Tagen deswegen darauf, die Wahl möglichst rasch über die Bühne zu bringen, um neue Legitimität zu erlangen. Die Wahlkommission, die viele dem Lager der Opposition zurechnen, wollte dagegen eine Verschiebung des Urnengangs. Als sich Kommission und Regierung diese Woche zu Verhandlungen trafen, belagerten hunderte Demonstranten das Gebäude und waren kurz davor, es zu stürmen. Doch Yingluck blieb hart. „Die Wahl ist eine der besten und friedlichsten Mechanismen, um einen Konflikt zwischen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zu beenden“, sagte sie am Donnerstag.

Dass die Stimmabgabe allerdings tatsächlich friedlich ablaufen wird, ist mehr als fraglich. Wie ernst es die Regierungsgegner meinen, zeigten sie bei den Vorwahlen am vergangenen Wochenende: Demonstranten versperrten Bürgern den Zugang zu den Wahllokalen. Es kam zu Rangeleien und Schusswechseln, ein hochrangiger Protestführer wurde dabei getötet.

Unklar ist, wie es nach dem abzusehenden Sieg Yinglucks weitergehen wird. Die Demonstranten haben angekündigt, auch nach den Wahlen nicht von den Straßen abzuziehen. Und weil wegen der Blockaden in manchen Bezirken nachgewählt werden muss, wird eine neue Regierung erst in Monaten vom Parlament bestätigt werden können. „Es fehlt dem Land eine Institution, die vermitteln könnte und von jeder Partei als neutral angesehen wird“, sagt Thailandexpertin Bannach.

Der endgültige Showdown steht Thailand noch bevor. Gefährlich werden könnte Yingluck ein kürzlich eingeleitetes Verfahren der Nationalen Antikorruptionsbehörde, an dessen Ende die Amtsenthebung stehen könnte. Viele Beobachter wittern hinter den Anschuldigungen gegen die Premierministerin den Versuch eines juristischen Staatsstreiches der Regierungsgegner. Der thailändische Politikwissenschaftler Thitinan Pongsudhirak von der Bangkoker Chulalongkorn Universität beschreibt das Dilemma so: „Das Problem ist, das denjenigen, die in Thailand Wahlen gewinnen, nicht regieren dürfen.“

Frederic Spohr[Bangkok]

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