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Politik: Chavez, Schimpf und Schande

Vor dem Referendum über eine Verfassungsänderung steht Venezuelas Präsident zunehmend isoliert da

Von Michael Schmidt

Berlin - Wohin steuert Venezuela? Steht der Name von Präsident Hugo Chavez bald nur noch für Schimpf, Schande, Schmutzkampagnen? Führt er, der doch seinem großen Vorbild, dem Befreiungshelden Simon Bolivar folgend, den ganzen Südkontinent einen will, sein Land in die internationale Isolation?

Erst fährt ihn, weil er Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero auf dem Iberoamerika-Gipfel mehrmals unterbricht, Spaniens König Juan Carlos an – „Warum hältst du nicht den Mund?“ –, woraufhin er die Beziehungen zu Spanien einfriert. Dann erklärt Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe die Zusammenarbeit bei der Lösung der Geiselkrise für beendet – und Chavez lässt die Welt wissen, dass er auch „die Beziehungen zu Kolumbien in eine Tiefkühltruhe“ lege. Und am kommenden Sonntag schließlich lässt er per Referendum über eine Verfassungsänderung abstimmen – und zum ersten Mal scheint nicht ausgeschlossen zu sein, dass das Volk ihm die Gefolgschaft verweigert.

Lateinamerika-Experte Nikolaus Werz von der Universität Rostock warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. Die Umfragen hätten Chavez auch vor seiner grandiosen Wiederwahl Ende 2006 wenig Chancen eingeräumt. Zudem gehe es bei der Verfassungsänderung nicht nur um im Ausland und von den protestierenden Studenten in Caracas kritisierte Themen wie die unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten, erleichterte Enteignungen und die Abschaffung der universitären Autonomie, sondern auch um so Populäres wie einen Sechsstundentag und mehr Ausgaben für Soziales. In der scharfen Rhetorik gegenüber Spaniens König sieht Werz vor allem ein Moment zur innenpolitischen Mobilisierung für das Referendum. Mit Sorge betrachte er die Tatsache, dass der Ölpreis seit Chavez’ Amtsantritt von zehn auf fast 100 Dollar gestiegen sei. „Venezuela ist ein Ölland, und Ölländer können es sich derzeit offenbar leisten, die Regeln des internationalen Protokolls nicht einzuhalten“, sagte Werz dem Tagesspiegel.

Für den Mainzer Politikwissenschaftler Wolfgang Muno ist diese Entwicklung dramatisch. Chavez habe zwar „mehr Wahlen gewonnen als manch anderer“, aber Demokratie sei „mehr als nur Wahlen“. Nach seiner Wiederwahl 2006 habe Chavez alle Zurückhaltung auf dem Weg in einen „autoritären Populismus“ fahren lassen. Er regiere selbstherrlich, mache, was er wolle, und lasse sich dabei zunehmend von persönlichen Eitelkeiten leiten. Zum Schaden seines Landes: Venezuelas Wirtschaft liege darnieder, produziere nichts außer Öl, sei daher auf Importe angewiesen und könne sich schon deshalb einen Abbruch der Beziehungen mit Kolumbien als einem der wichtigsten Handelspartner „gar nicht leisten“. Mit Spanien habe Chavez, um eines „äußerst dummen Anlasses willen“, einen weiteren wichtigen Partner verprellt. Sein Integrationsprojekt Alba komme „nicht vom Fleck“. Der Mercosur sei nach Venezuelas Beitritt nahezu „am Ende“, die Europäische Union zum Beispiel ziehe es seither vor, mit Chavez’ Konkurrenten um die regionale Führungsrolle, Brasiliens Staatspräsident Lula da Silva, direkt zu verhandeln. Und das Referendum habe der eigentlich am Boden liegenden Opposition überhaupt erst neues Leben eingehaucht – und ihn zudem die Loyalität manches alten Weggefährten gekostet.

Kein gutes Jahr also für Chavez und das Land? Werz bleibt zurückhaltend: „Warten wir den 2. Dezember ab.“

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