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China - USA: Ein Fall von neuem Selbstbewusstsein

Wegen eines lange bekannten Waffengeschäftes mit Taiwan droht Peking den USA erstmals offen mit Konsequenzen. Eine bilaterale Eiszeit wird deswegen nicht ausbrechen.

Bislang hat die Volksrepublik China noch jede Waffenlieferung der USA an Taiwan öffentlich kritisiert. Doch dieses Mal ist der Tonfall aus Peking ein deutlich schärferer. Konkret festzumachen ist das beispielsweise an Vizeaußenminister He Yafei, der drohte, die Lieferung werde "erhebliche negative Folgen" für die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern haben.

Streitpunkt ist ein Waffendeal im Wert von 6,4 Milliarden Dollar: Taiwan kauft von amerikanischen Unternehmen Kampfhubschrauber, Raketenabwehrsysteme sowie Raketen gegen Ziele auf See und an Land. Eingefädelt wurde das Geschäft bereits 2001 unter US-Präsident George W. Bush und die am Freitag im Kongress in Washington angekündigte Umsetzung war der chinesischen Regierung seit Wochen bekannt. Die Volksrepublik drohte nun erstmals den US-Lieferfirmen mit Sanktionen. Zudem würde allgemein die internationale Kooperation mit den USA zurückgefahren, bis das neue Geschäft gestoppt werde, erklärte das chinesische Außenministerium.

China betrachtet das seit 1949 faktisch unabhängige und inzwischen demokratische Taiwan als abtrünnige Provinz des Landes. Im Süden Chinas stehen auf Taiwan gerichtete Raketen, mehrmals drohte Peking sich Taiwan mit militärischen Mitteln zurückzuholen. Doch zuletzt kam es unter dem eher Peking-freundlichen Präsidenten Ma Ying-Jeou zur Entspannung zwischen Taipeh und Peking, die wirtschaftliche Kooperation wurde erheblich ausgebaut.

Der taiwanische Vize-Außenminister Andrew Yang sagte zu dem Waffengeschäft schlicht: "Es geht hauptsächlich darum, Taiwans Selbstverteidigungskräfte zu stärken, um mögliche Angriffe Pekings abwehren zu können." Das sei der Grund, warum Peking die Waffenverkäufe ablehne. Im Übrigen wollte Taiwan 2001 auch Offensivwaffen wie F-16-Kampfflugzeuge und U-Boote haben, die in dem jetzigen Geschäft mit der Regierung Obama nicht berücksichtigt wurden.

Lange bekannt ist der chinesischen Regierung nicht nur das Waffengeschäft, sondern auch die Haltung der USA gegenüber Taiwan. Erst am Montag hatte Wallace Gregson, der für die Asien-Pazifik-Region zuständige Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium darauf verwiesen, dass die USA derzeit und auch in Zukunft ihren Verpflichtungen nachkommen, um Taiwans Fähigkeit zur Selbstverteidigung sicherzustellen. Die USA haben sich mit dem Taiwan-Akt von 1979 verpflichtet, Taiwan bei seiner Verteidigung zu helfen. Warum also diese für Peking ungewöhnlich offensiven Drohgebärden?

Der Grund für diesen Ausbruch neuen Selbstbewusstseins ist zunächst ein simpler: Man will prüfen, wie der US-Präsident auf Pekings Machtgehabe reagiert. Denn nicht nur die Waffenlieferungen an Taiwan ärgern Peking. Auch die militärische Präsenz der USA in beispielsweise Japan und Südkorea verhindert, dass China dort die beherrschende Regionalmacht wird. Doch hat China tatsächlich wirksame Druckmittel gegenüber den USA?

Schikanen gegen jene US-Unternehmen, die Waren zur Verteidigung Taiwans lieferten, würden die US-Industrie treffen, vor allem die Flugzeugbauer. Nur könnte China damit auch internationale Handelsabkommen verletzen. Größtes Drohpotential scheinen auf den ersten Blick die Schulden der USA in China zu haben. Die Volksrepublik ist der größte Gläubiger der USA, doch würde Peking diesen Hebel wohl niemals als Druckmittel einsetzen, denn die riesigen Dollar-Reserven Chinas könnten damit sehr schnell an Wert verlieren. Immerhin kann Peking aber Washingtons Wunsch nach einer Aufwertung des niedrig gehaltenen Yuan weiteren Widerstand entgegensetzen. Zudem erheben beide Seiten inzwischen wieder Schutzzölle, auch hier gibt es Konfliktstoff.

Ein politisches Druckmittel könnte auf den ersten Blick der Konflikt um Irans Atomprogramm sein. Die USA wollen China mit ins Boot holen, wenn es um schärfere Sanktionen gegen Teheran geht. Doch die Führung in Peking will nicht, sie hat bislang härtere Sanktionen meist verhindert – man will es sich mit dem ressourcenreichen Land nicht verscherzen. Hier ist der Spielraum für weniger Kooperation mit den USA also eher gering, China wird seine bisherige Iran-Politik wohl einfach fortsetzen. Und so fügt sich auch der praktisch zeitgleich mit der Taiwan-Lieferung verkündete und nach Iran gerichtete US-Raketenschirm für die Golfregion in diese Lage ein. Denn dieser Schirm wird Teheran militärisch eindämmen, unabhängig davon, ob Peking dem verschärften Druck des Westens und wohl auch Russlands gegen Iran zustimmt. Das Iran-Drohpotential für Peking verliert so noch mehr an Kraft.

So ist es am Ende nicht Barack Obama, der wie nun vielfach befürchtet durch die Taiwan-Lieferung die Beziehungen mit China in eine neue Eiszeit zu führen droht. Die Beziehungen Washingtons zu Taipeh sind nie ein Geheimnis gewesen. Vielmehr ist es das neue Selbstbewusstsein Pekings, das die heftige Reaktion erklärt. Am Ende werden die ökonomischen Zwänge Peking und Washington zur weiteren Zusammenarbeit zwingen. Zu sehr ist auch China ein Profiteur der Globalisierung geworden, das sich durch politische Manöver den wirtschaftlichen Spielraum nicht zu sehr einengen lassen kann. Eine bilaterale Eiszeit mit den USA kann es sich jedenfalls nicht leisten.

Quelle: ZEIT ONLINE

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