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Christian Kern (SPÖ), ehemaliger Bundeskanzler von Österreich, gibt seinen endgültigen Rückzug aus allen Parteifunktionen bekannt.

© dpa/Hans Punz

Christian Kern: Österreichs Ex-Kanzler will zurück in die Wirtschaft

Österreichs Ex-Kanzler Christian Kern kam als Quereinsteiger in die Politik. Jetzt hat er keine Lust mehr auf Intrigen und gibt seinen Rückzug bekannt.

Er wollte in Brüssel die Grundwerte der EU verteidigen, doch nun kommt alles ganz anders. Christian Kern war erfolgreicher Manager, zeitweise Lichtgestalt der Sozialdemokraten in Österreich, Kurzzeit-Kanzler. Es folgte die ungeliebte Rolle des Oppositionschefs, in der er sich nicht wohl fühlte. In Brüssel sollte nun alles besser werden. „Wir haben eine Auseinandersetzung zu führen mit Kräften, die Europa zerstören wollen“, wiederholte Kern immer wieder. Doch diesen Kampf wird er nun nicht mehr mitkämpfen. Kern gab am Samstag seinen kompletten Rückzug aus der Politik bekannt

Stattdessen möchte der 52-Jährige, der als Manager Karriere gemacht hatte, bevor er als Quereinsteiger in die Politik kam, zurück in die Wirtschaft. „Ich hab immer gesagt, ich bin kein Berufspolitiker und ich möchte nicht bis an mein Lebensende in der Berufspolitik - bei allem Respekt davor - bleiben“, sagte Kern. Mit konkreten Posten habe er sich aber noch nicht auseinandergesetzt.

Mit seinem kompletten Rückzug aus der Politik setzt Kern fast drei Wochen nach seinem Rücktritt von der SPÖ-Spitze den Schlusspunkt eines chaotischen und lauten Abgangs. Der 52-Jährige hatte am 18. September bereits völlig überraschend den SPÖ-Vorsitz abgegeben. Die Partei ließ damals stundenlang Spekulationen zu, dass sich Kern komplett aus der Politik zurückziehe und bestätigte diese Gerüchte später sogar. Kern erklärte aber stattdessen, dass er die Spitzenkandidatur der europäischen Sozialdemokraten anstrebe.

Daraus wird nun nichts. „Ich habe feststellen müssen, dass es als ehemaliger Regierungschef eigentlich gar nicht möglich ist, diese innenpolitische Bühne zu verlassen“, sagte Kern zur Begründung. Statt der wichtigen Diskussion um Europas Zukunft mehr Gewicht zu verleihen, seien alle seine Bemühungen weiter ständig unter dem Eindruck der Innenpolitik diskutiert worden. „Nach den zweieinhalb Jahren in der Politik ist mein Bedarf nach diesen innenpolitischen Spielen extrem begrenzt.“

Abgang trotz politischer Erfolge

Dieser Abgang zeigt, dass sich Kerns schwieriges Verhältnis zur Politik wohl nie verbessert hat. Der 52-Jährige, zuvor Chef der Österreichischen Bundesbahnen ÖBB, startete im Mai 2016 mit einer ähnlichen Spitze als SPÖ-Chef. „Wenn wir dieses Schauspiel weiter liefern, ein Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall.“ Das war an die Adresse der allzu selbstgerechten Politik allgemein und der Sozialdemokraten im Besonderen gerichtet. Für diese Art des schonungslosen Artikulierens schätzten ihn viele. Kern war der kantige, kluge Parteichef - der das politische Geschäft nun etwas verzweifelt verlässt.

Und das, obwohl er Österreichs Sozialdemokratie tatsächlich auf ein - gerade auch mit Blick auf die deutschen Verhältnisse - bemerkenswertes Niveau führen konnte. Knapp 27 Prozent bei der Wahl im Oktober 2017, in Umfragen lagen die Sozialdemokraten zuletzt immer noch bei 27 Prozent. Davon kann die SPD nur träumen.

Kerns Verhängnis war Sebastian Kurz

Kerns Verhängnis war Sebastian Kurz. Der damals 30-Jährige krempelte in kürzester Zeit die lahmende konservative ÖVP zur flotten Bewegung um. Das Dauerthema Migration trieb Kurz die Wähler in Scharen zu. Er wurde jüngster Regierungschef in Europa - und sitzt heute dank einer vergleichsweise reibungslosen Koalition mit der rechten FPÖ fest im Sattel. Kern stritt sich derweil parteiintern mit einigen Kritikern und kam mit der Rolle des Oppositionsführers nicht zurecht. Statt sich auf einem eigentlich für Anfang Oktober geplanten Parteitag als Vorsitzender bestätigen zu lassen, zog Kern die Reißleine.

Seine Zeit in der Politik habe ihm große Freude gemacht, er sei mit großem Verantwortungsbewusstsein bei der Sache gewesen. Letztlich aber freue er sich, diese Welt nun hinter sich lassen zu können. Der Rückzug beinhalte für ihn auch „ein gewisses Maß an Erleichterung“.

Manche Intrigen und auch persönliche Attacken von politischen Gegnern, Parteifreunden und den Medien haben ihm offensichtlich zugesetzt. „Vielleicht mache ich mir auch die Freude und kaufe mir noch einen Maßanzug und ein Krönchen, damit wenigstens ein paar der persönlichen Geschichten, die in den letzten Jahren verbreitet worden sind, auch eine Berechtigung haben“, sagte Kern als letzte Spitze gegen seine Kritiker und den Boulevard. Sicher sei aber, dass er sich am Abend ein „ordentliches Glas Rotwein genehmigen werde“. Denn: „Einen guten Roten erkennt man schließlich am Abgang.“ (dpa)

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