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Politik: Club der Visionäre

Der „Konvent für Deutschland“ will mit Altbundespräsident Herzog an der Spitze neue politische Konzepte entwickeln

Roman Herzog nennt es den „furor germanicus legislativus“. Diesen Drang, mit Verordnungen alles reglementieren zu wollen, und die „total antiquierte Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern“ hält der Altbundespräsident für zwei der Gründe, warum Deutschland in der Krise steckt. Und weil es seiner Ansicht nach „Zeit ist, sich unserer Entscheidungsprozesse selbst anzunehmen“, hat er den Vorsitz des Konventskreises übernommen. Der wiederum ist das Herzstück des neu gegründeten „Konvents für Deutschland“.

Dessen Väter haben viel vor. Am Tag der deutschen Einheit präsentieren sie sich und ihre Ideen, an welchen Punkten des politischen Systems dringend reformiert werden muss. Im Berliner Hotel Adlon – dort hielt vor sechs Jahren Roman Herzog seine „Ruck- Rede“ – sitzt vor holzvertäfelter Wand der Konventskreis: ein parteiübergreifendes Gremium aus Wirtschaft und Politik. Neben Roman Herzog und den Initiatoren, dem Unternehmensberater Roland Berger und Hans-Olaf Henkel, Ex-BDI-Chef, sind unter anderen der ehemalige SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz, der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff sowie der frühere Verteidigungsminister Rupert Scholz gekommen, der frühere Finanzexperte der Grünen-Bundestagsfraktion Oswald Metzger drückt den Altersdurchschnitt.

Viele Probleme werden angesprochen, unter anderen ausufernde Steuergesetze und Blockadepolitik durch Bundestag und Bundesrat. Da ist es kein Wunder, dass an erster Stelle der angekündigten Arbeitsfelder des „Konvents für Deutschland“ der Föderalismus und die Finanzverfassung stehen sollen. Bei Letzterer macht Herzog einen „Schlüssel zu vielen Reformblockaden“ aus. Darüber hinaus geht es den Herren aber auch um Bürgerrechte und Parteien, und ob auf Landes- und Kommunenebene mehr Referenden stattfinden sollten. Auch das Wahlsystem wollen sie diskutieren, genauso wie die Balance zwischen Gesetzgebung und Richterstaat.

Auch wenn das Gremium sich ausdrücklich nicht als selbst ernannter Verfassungskonvent verstehen will, zumindest in Teilen möchte man wohl als solcher wirken. Herzog geht davon aus, dass „zunächst die Diskussion um die Erneuerung des Föderalismus“ im Vordergrund stehen wird. Er „begrüßt“ die von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Föderalismuskommission und kündigt an, deren Arbeit „konstruktiv begleiten“ zu wollen – „zumal es so zu sein scheint, als würden dort wichtige Aspekte schon von Anfang an ausgeklammert“. Allerdings wissen die Anwesenden auch, dass der eigene Einfluss nur indirekt sein kann. Man sei darauf angewiesen, einflussreiche Mitglieder zu gewinnen, sagt Roland Berger. Jedoch habe er schon mit aktiven Politikern gesprochen – und sei auf Interesse gestoßen.

In etwa einem Jahr will der Konvent seine Vorschläge vorstellen, „wie die Maschine wieder in Gang gesetzt werden kann“, so Herzog. Gefragt, ob eben diese dafür nicht schon zu festgefahren sei, zeigt sich der Altbundespräsident gelassen. In diesem Fall, sagt Herzog, müsse man wohl „zum Rechtsmittel des Harakiri greifen“. Doch dazu sehe er eigentlich keinen Anlass.

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