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Übung macht den Hafen. Die „Northern Vitality“ wird seit Wochen unentwegt be- und entladen. Wenn der Jade-Weser-Port am 21. September verspätet eröffnet wird, soll alles glattgehen. Die „Northern Vitality“ wird dann wohl abgewrackt.

© dapd

Containerhafen: Zur Probe

Im zweiten Anlauf soll der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven eröffnet werden. Aber es gibt viel Streit.

Vier riesige Containerbrücken haben ihre langen Kranarme über die „Northern Vitality“ geworfen und stapeln einen Stahlbehälter über den anderen. Seit Wochen geht das schon so. Doch die Container sind leer. Das rostige Schiff ist ein kurz vor der Verschrottung stehender Seelenverkäufer. Dessen Be- und Entladen geschieht lediglich zu Übungszwecken – im Probebetrieb für den neuen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven.

Deutschlands erster und einziger tideunabhängiger Tiefwasserhafen, das eine Milliarde Euro teure Megaprojekt der Bundesländer Niedersachsen und Bremen, hätte vor einem Monat schon seinen Betrieb aufnehmen sollen. Doch mehr als 340 Risse in der nagelneuen Spundwand haben die Eröffnung am 5. August platzen lassen. Jetzt soll es am 21. September einen neuen Anlauf geben; und diesmal soll alles gut gehen. „Das Desaster vom Flughafen Berlin-Brandenburg passiert uns hier nicht“, raunen die Bauherren beschwörend. Die löchrige Spundwand sei mit einer vorgesetzten, 3,5 Meter dicken Betonwand dauerhaft abgesichert, verspricht der Chef der Jade-Weser-Port-Realisierungsgesellschaft, Axel Kluth. Kaum spricht der Wasserbauingenieur, der auch den Bau des Berliner Hauptbahnhofs organisierte, dies aus, werden neue Schäden bekannt: Diesmal ist hinter der Spundwand in der Entlastungskammer Beton abgeplatzt. „Ärgerlich, aber nur ein Schönheitsfehler“, versichert Kluth.

Die Einladungen für die Feier sind verschickt; 1000 Gäste werden erwartet. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) und Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) sind mit Grußworten dabei. Darin wird viel von Jobwunder, Chancen und Aufbruch an der Küste die Rede sein. Weniger von den jahrelangen Querelen um die Auftragsvergabe, von den Animositäten zwischen Niedersachsen und Bremen, vom frühzeitigen Ausstieg Hamburgs aus dem Projekt. Dass die Festzelte an anderer Stelle als geplant aufgebaut werden müssen, weil dann der Havarist „Flaminia“ am nördlichen Teil der fertigen Kaje liegt und vorsichtig von seiner gefährlichen Ladung befreit werden wird, soll den Jubel nicht beeinträchtigen.

Der erste echte Frachter ist schon angekündigt: die „Laguna“ der Reederei Maersk mit einem Fassungsvermögen von 7500 Standardcontainern. Das ist zwar nicht einer der Giganten der neuen Generation, die der Jade-Weser-Port dank seiner großen Tiefe anlocken sollte. Aber dafür gibt das 300 Meter lange Schiff den Startschuss für zwei wöchentliche Linienverbindungen, von und nach Südamerika sowie von und nach China. „Das ist super für uns“, freut sich Wilhelmshavens Oberbürgermeister Andreas Wagner (CDU). Denn bis auf die Tiefkühl- und Logistik-Firma Nordfrost hat sich noch kein nennenswertes Unternehmen auf dem Hafengelände angesiedelt. Viele Reeder sparen sich auch gleich den Umweg über die Jade, schicken ihre Containerschiffe lieber an ihre bisher angestammten Ziele.

Eurogate-Chef Emanuel Schiffer sagt: „Die Formel, alle großen Schiffe fahren jetzt nach Wilhelmshaven, stimmt leider nicht.“ In Niedersachsen gibt es ohnehin den Verdacht, der Bremer Logistikriese, der die Containerhäfen in Bremerhaven und Hamburg betreibt, wolle sich selbst am Jade-Weser-Port keine allzu große Konkurrenz machen. Dazu kommt ein juristischer Streit um die verspätete Aufnahme des Betriebs. Niedersachsen beharrt darauf, dass Eurogate die vereinbarten Hafengebühren in voller Höhe begleicht; der Betreiber hält dem hohe Vorhaltungskosten entgegen.

Dies sind nicht die einzigen Scharmützel vor Gericht. Das Baukonsortium Bunte aus Papenburg fordert einen 80-Millionen-Euro-Nachschlag wegen gestiegener Stahlpreise; die Firma Bugsier aus Hamburg ficht die Konzessionen für die Schlepperdienste am Hafen an. Und natürlich drohen noch Klagen wegen der Risse. Auf 50 bis 100 Millionen Euro sind die Sanierungskosten taxiert. Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) aber sagt: „Die öffentliche Hand muss auf keinen Fall dafür aufkommen.“

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