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Politik: Da kommt Chomeini wieder

Von Clemens Wergin

Wie ist das nur möglich? Während sich in vielen Ländern in Nah und Mittelost Aufbruchstimmung verbreitet, wählen sich die Iraner zurück in die Vergangenheit: Der ideologische Hardliner Mahmud Ahmadinedschad hat sich gegen den konservativen Pragmatiker Ajatollah Haschemi Rafsandschani durchgesetzt und wird neuer Präsident. Nun sind mit dem Wächterrat, dem vor einem Jahr neu gewählten Parlament und dem Präsidenten wieder alle wichtigen Institutionen in der Hand der Hardliner. Acht Jahre, nachdem der Teheraner Frühling mit der überraschenden Wahl Mohammed Chatamis begonnen hat, ist der Winter der chomeinischen Orthodoxie endgültig zurückgekehrt.

Wer jetzt an der politischen Klugheit der Iraner zweifelt, sei daran erinnert, dass die Wahlen gar keine waren. Nicht nur, weil zahlreiche Kandidaten der Reformbewegung erst gar nicht zugelassen wurden. Sondern auch, weil die publikumswirksamen Massenmedien weiter von den Konservativen gesteuert werden. Und als die Iraner in der Stichwahl nun entscheiden mussten zwischen einem bescheiden lebenden, moralisch integer wirkenden Hardliner und dem reichen, als korrupt geltenden Rafsandschani, haben sie sich für Ersteren entschieden. Eine echte Wahl war das nicht.

Aber die Reformer sind auch an sich selbst gescheitert. Chatami hat den offenen Machtkampf mit den Mullahs nicht gesucht, als er die Bevölkerung noch hinter sich hatte. Seiner Bewegung ist es außerdem nicht gelungen, eine Politik zu formulieren, die mehr als die städtische Mittelschicht und die Intelligentia anspricht. Wer arm ist oder arbeitslos, wie immer noch viele Iraner, den interessiert es nicht so sehr, ob in Teheran wieder eine Oppositionszeitung geschlossen wird. Der will, dass vom gesellschaftlichen Reichtum, von Öl- und Gasmilliarden, die steigende Weltmarktpreise in die Kassen spülen, etwas bei ihm ankommt. Diese Wähler hat Ahmadinedschad für sich gewonnen, indem er die linkspopulistischen, sozialrevolutionären Elemente von Chomeinis islamischer Revolution wieder hervorgeholt hat.

Wer sich hingegen, wie der Reformer Mustafa Moin, als „Partei der Elite“ versteht, findet besonders in den Provinzen keinen Anklang bei den Massen. Hier liegt auch die wichtige Botschaft für andere Reformbewegungen in der Region: Wenn sich die moderaten Kräfte nicht bemühen, auf Interessen der breiten armen Schichten ihrer Länder einzugehen, werden sie den Islamisten, die sich sozial engagieren, nie das Wasser abgraben können. Trotz aller Fehler der Reformer darf aber nicht vergessen werden, dass die Mullahs das Rennen schon im ersten Wahlgang entschieden hatten – mithilfe zahlreicher Manipulationen. Es war ein geschickter Schachzug, den Iranern am Ende nur die Wahl zwischen dem korrupten, abgehalfterten Rafsandschani und dem islamisch-moralisch grundierten Ahmadinedschad zu lassen.

Wollte man der Wahl Gutes abgewinnen, dann dass sie klare Verhältnisse schafft, nach innen wie nach außen. Für alle politischen Versäumnisse werden die Iraner jetzt wieder die verantwortlich machen, die die Zügel ohnehin immer in der Hand behalten haben: die Mullahs. Und auch in der Außenpolitik hat die Maskerade mit dem Liberalen Chatami ein Ende. Der hatte im Westen immer darum gebeten, nicht zu hart angefasst zu werden – so, als es um Irans Unterstützung für Terrororganisationen ging und seine destabilisierende Politik in der Region. Um ihn nicht zu schwächen, sind die Europäer Chatami gefolgt, haben in all den Jahren für ihre Politik der Samthandschuhe nur nie etwas zurückbekommen. Einer wie Ahmadinedschad, der Wunschkandidat der Mullahs, wird in Zukunft nicht wie Chatami behaupten können, er habe den Apparat nicht im Griff. Es mag schwieriger sein, mit Ahmadinedschad einen Deal in Sachen Atomprogramm zu schließen. Aber wenigstens weiß man, für wen er spricht: Für die, die die wahre Macht nie abgegeben haben.

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