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Finanzminister wollen Sprache der Behörden verständlicher machen, bis dahin bleibt man auf Wörterbücher angewiesen.

© Soeren Stache/dpa

Dämliche Diskriminierung: Behördendeutsch muss für alle verständlich sein

Das Nicht-Verstehen von Amtssprache ist kein Defizit der Adressaten, sondern zeigt das Unvermögen der Verfasser. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Barbara John

Nein, bei der Kritik am Behördendeutsch geht es nicht vorrangig um Stilblüten wie: „Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar.“ (Bundeswehrverwaltung). Es geht auch nicht um einzelne skurrile Begriffe wie „ Personenvereinzelungsanlage“ für Drehkreuz oder „Beelterung“ für die Vermittlung einer Pflegefamilie. Solche sprachlichen Ungetüme lassen sich ja meistens noch aus dem Kontext erschließen. Es geht schlicht um inhaltliche Klarheit. Der Leser muss verstehen, was öffentliche Stellen von ihm wollen, und zwar auf Anhieb und nicht erst nach x-maligem Lesen und Nachschlagen in dickleibigen Kommentaren.

Gelingt das bei dieser Kostprobe aus dem Sozialgesetzbuch II (Regelung der Grundsicherung für Arbeitslose)?: „Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie die Lage der Empfängerinnen und Empfänger nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.“

Nun unternimmt der Gesetzgeber einen Versuch, Behördendeutsch verständlicher zu machen. Seit dem 1. Januar sollen Bundesbehörden, Arbeitsagenturen und die Rentenversicherung in einfacher Sprache kommunizieren. Allerdings nicht mit allen, sondern nur mit Menschen mit geistigen oder seelischen Behinderungen. Wie bitte? Wer hat sich denn diese unverzeihliche Stigmatisierung ausgedacht? Es geht doch nicht um ein Defizit einer bestimmten Gruppe, sondern um das Defizit der behördlichen Verfasser.

Verschwurbelte Behördensprache versteht niemand

Das Nicht-Verstehen von Text und Rede im „Behördendeutsch“ ist keine angeborene oder erworbene Schwäche von Behinderten. Verschwurbelte Behördensprache versteht niemand, egal wie seine Intelligenz beschaffen ist. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Es ist ein Zeichen geistiger Wachheit, verworren und konfus Formuliertes zu erkennen und sich zu weigern, das Nicht-Verstehbare, verstehen zu wollen. Wo bleibt bei jedem Behördenschreiben ein einfach handhabbares Feedback, das dem amtlichen Absender seine Unfähigkeit widerspiegelt, Inhalte klar und eindeutig zu vermitteln?

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