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Politik: Das Baby aus dem Todeszug

Ein sieben Monate altes Mädchen ist das jüngste Opfer der Anschläge – auch ihr Vater starb, nur die Mutter überlebte

Madrid. Der Todeskampf von Patricia dauerte zwei Tage. Das sieben Monate alte Baby ist das jüngste Terroropfer des Bombenanschlags auf die vier Pendlerzüge in Madrid am 11. März. Die Leiche Nummer 199 von bisher 200 Todesopfern des schlimmsten Terrorattentates in der spanischen Geschichte. Persönliche Geschichten wie die von Patricia und ihrer Familie treiben den Spaniern auch Tage nach dem Anschlag noch Tränen der Trauer und der Wut in die Augen. Mehr noch als die Opferstatistik, die am Samstag verzeichnete, dass sich noch knapp 300 der fast 1500 Verletzten in Krankenhäusern befinden. 18 der Opfer schwebten noch in Lebensgefahr, der Zustand von 40 weiteren sei sehr ernst, teilten die Ärzte mit.

Ein Arzt fand Patricia zwischen den Trümmern eines der „Todeszüge“. Wimmernd, blutverschmiert, schwer verletzt, mit zerschmetterter Brust und einem goldenen Kettchen am Handgelenk, auf dem der Name „Patricia“ stand. Von den Eltern der kleinen Blonden mit den blauen Augen gab es zunächst keine Spur.

Bis Kati, die Schwester der Mutter, nach einer verzweifelten Suche in allen Hospitälern der Millionenstadt am Abend des Anschlags im Krankenhaus „Jesuskind“ eintraf, um der Kleinen, die um ihr Leben kämpfte, beizustehen. Doch die Ärzte konnten nicht mehr viel für das Baby tun. Nach gut 48 Stunden ging das Leiden Patricias zu Ende. Sie starb auf der Intensivstation.

Auch ihre Mutter, die 28-jährige Jolanda, wurde inzwischen in einem anderen Krankenhaus der spanischen Hauptstadt gefunden – mit schweren inneren und äußeren Verletzungen. „Ich habe sie fast nicht erkannt“, weint ihre ein Jahr jüngere Schwester Kati. Jolanda, sagen die Mediziner, hat Chancen zu überleben. Wenn auch ohne ihren ganzen Stolz, ihre Tochter Patricia. Und ohne ihren 34-jährigen Ehemann Wieslaw. Denn der Vater von Patricia ist auch tot. Seine Schwägerin Kati entdeckte ihn im Leichenschauhaus für die Terroropfer, das provisorisch in der Messehalle sechs eingerichtet worden war. Sein Körper wurde von der Wucht der Explosion so entstellt, dass Kati ihn nur mit Schwierigkeiten identifizieren konnte.

Wieslaw war mit Frau und Kind wie jeden Morgen um 7.40 Uhr in den Zug der Linie C2 gestiegen, um zum Bahnhof Atocha zu fahren. Wieslaw und Jolanda, zwei polnische Einwanderer, wollten zur Arbeit. Er war auf dem Bau beschäftigt, sie in einem Privathaushalt. Die kleine Patricia sollte wie immer bis zum Abend von einer Freundin betreut werden. Das war die letzte gemeinsame Fahrt dieser jungen Familie. „Sie waren glücklich“, erzählten Angehörige. Bis zum Donnerstag, dem 11. März, als der Terror kam.

Ralph Schulze

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