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Politik: Das Geld stinkt doch

DIE AFFÄRE MÖLLEMANN

Von Robert von Rimscha

Wolfgang Thierse hat sich am Donnerstag gewünscht, in seiner zweiten Amtszeit als Bundestagspräsident weniger Parteienprüfer als Parlamentsvorsitzender sein zu dürfen. Diese Hoffnung ist enttäuscht worden. Den ersten großen ParteifinanzSkandal der Legislatur hat Thierse am Hals, da ist er noch keine 24 Stunden im Amt.

Jürgen Möllemann hat seiner FDP ein Kuckucksei ins Nest gelegt. Es sieht wie ein anti-israelisches Flugblatt aus und stinkt bräunlich. Kurz vor der Wahl landete es in Millionen Briefkästen. Und nun stellt sich heraus, dass das Ei auch noch geklaut war. 840000 Euro hat Möllemann gesammelt. Von den identifizierten Spendern beharren aber alle, schlichtweg: alle darauf, nie wirklich gespendet zu haben. Dies, die Stückelung und die Gesamtsumme exakt in der Höhe der Vertriebskosten: Das ist schon weit mehr als ein Indiz dafür, dass mit dem Parteiengesetz Schindluder getrieben wurde. Dass Möllemann offenbar die Chuzpe hatte, nach jahrelangen Debatten über illegale Spenden das ganze Arsenal der Schwarzgeldwäsche zu nutzen, das ist nicht nur ein Skandal. Das ist dreiste Torheit – nicht vom Feinsten, vom Niederträchtigsten.

Nun kommt es nicht alle Tage vor, dass eine Partei sich selbst bezichtigt. Die Ehrbarkeit dieses Bemühens um Transparenz wird indes dadurch geschmälert, dass es sich beim Verursacher um Möllemann handelt, den Intimfeind der versammelten Parteispitze. Der Sünder wird so zur personifizierten Schadensbegrenzung, denn Hiebe auf Möllemann schaden der FDP (zumindest außerhalb Nordrhein-Westfalens) ja weniger, als sie ihr nutzen. Dennoch wiegen die Folgen schwer – für die Partei, nicht nur für ihren risikobehafteten Noch-Landeschef. Denn mit dem Bekenntnis zum Skandal hat sich die FDP von der politischen Bühne verabschiedet – vorerst.

Wochenlang wird keine einzige inhaltliche Position, die die Liberalen vertreten, Gehör finden. Und dies ausgerechnet in ökonomischen Krisenzeiten, in denen die FDP eigentlich Profil zeigen und nach der Wahlniederlage Kraft schöpfen könnte. Schon bald wird sich niemand mehr erinnern können, wem das Verdienst der Enthüllung zukommt. Denn man kann Möllemann politisch und vielleicht auch juristisch haftbar machen. Doch die Bühne, auf der Politik nun einmal spielt, ist die Öffentlichkeit. Dort will Möllemann erst wieder erscheinen, wenn er genesen ist. Für seine Partei bedeutet dies, dass sie in einem unsäglichen Schwebezustand verharren muss – da mag Guido Westerwelle noch so sehr zur Eile drängen. Möllemann hält schon verzögernd dagegen: Er werde die „unglaublichen“ Vorwürfe seiner eigenen FDP frühestens Ende November entkräften. Auf Möllemanns Trotz ist stets Verlass, auch wenn es um ihn herum jetzt auffällig rasch einsam wird.

Falls sich in ein paar Jahren, beim Rückblick, der Bürger nur daran erinnert, dass Möllemann die Chiffre für einen Spendenskandal war, der den Unbehausten politisch erledigte, dann hätte Westerwelle nicht wirklich gewonnen. Er muss eine Doppelstrategie fahren. Hat der Spendenskandal tatsächlich die Dimension, die sich nun abzeichnet, reicht sie allemal für einen Abschied von Möllemann. Doch da ist noch das andere. Da sind noch die gefährlichen und widerwärtigen Ideen des NRW-Landeschefs, das Dumpfe des Flugblatts. Das Erste reicht für das Karriereende so gut wie das Zweite. Doch das Zweite muss zählen. Vor dieser Einsicht darf sich die Partei nicht drücken. Sonst hinterlässt Möllemann einen Überlebenden, den Möllemannismus. Und der ist für die Existenz der FDP noch gefährlicher als der aktuellste Spendenskandal dieser Republik.

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