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„Das ist doch keine Zusammenarbeit“: Was hinter der Scholz-Aussage zum Umgang mit der AfD steckt
SPD und Grüne werfen Friedrich Merz vor, gemeinsame Sache mit der AfD zu machen. In der Union verteidigt man sich – auch mit einem alten Scholz-Zitat. Zurecht?
Stand:
Die Union hat am Mittwoch erstmals auch mit Stimmen der AfD einen Antrag im Deutschen Bundestag verabschiedet. SPD und Grüne kritisierten Friedrich Merz dafür scharf und werfen dem Unions-Kanzlerkandidaten Wortbruch vor sowie gemeinsame Sache mit der AfD zu machen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem Tabubruch. Man könne Merz nicht mehr trauen. Der bedauert die Mehrheit zwar, schiebt die Verantwortung allerdings SPD und Grünen zu. Jene hätten schließlich mit der Union stimmen können, dann hätte es die AfD-Stimmen nicht gebraucht.
Auch am Tag danach versuchen CDU-Politiker, Merz’ Vorgehen zu rechtfertigen. CDU-Fraktionsvize Jens Spahn bekräftigte im Deutschlandfunk, es gebe keine Zusammenarbeit oder Gespräche mit der AfD. Thorsten Frei, Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, äußerte sich bei „Welt TV“ ähnlich. Um diese Position zu untermauern, greift man in der Union allerdings auch zu einem neuen Argument: Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt von einem Tabubruch spricht, wie zum Beispiel in der ARD am Mittwochabend, dann sei das verlogen.
Linnemann wirft Scholz Verlogenheit vor
Zum ersten Mal tauchte dieses Argument in einem Bericht der „Bild“ am Donnerstagmittag auf. Die Zeitung berichtet von einem internen Lagepapier von CDU/CSU. Darin heißt es: „Es ist verlogen, wenn die SPD heute so tut, als sei die Einbringung von eigenen Anträgen undemokratisch.“ Als Beleg wird ein Zitat von Olaf Scholz zur Hand genommen: Vor rund eineinhalb Jahren soll Scholz gesagt haben: „Das ist doch keine Zusammenarbeit. Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt.“
Dass die SPD jetzt versucht, uns in die Extremisten-Ecke zu stellen, ist verlogen.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann
Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann greift die Aussage von Scholz in einem am Donnerstagnachmittag veröffentlichten Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf. Zunächst verteidigt auch Linnemann das Vorgehen seines Chefs: „Es gab keine Ab- und Rücksprachen mit der AfD, und die wird es auch nicht geben.“ Dann holt der CDU-Politiker zum Angriff auf Olaf Scholz aus: „Auch der Bundeskanzler hatte dazu bis vor Kurzem noch eine andere Haltung“. Anschließend zitiert er genau jenes Zitat, über das auch die „Bild“ berichtet. „Dass die SPD jetzt versucht, uns in die Extremisten-Ecke zu stellen, ist verlogen“, legt Linnemann in der „FAZ“ nach. Das solle nur von der eigenen Kraftlosigkeit ablenken.
Scholz: „Anträgen der Opposition wird nahezu nie zugestimmt“
Tatsächlich hat Olaf Scholz diesen Satz so im August 2023 gesagt, und zwar in einem Interview mit der „Thüringer Allgemeinen“. In diesem Gespräch ging es damals darum, ob es demokratisch ist, wenn man eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausschließt. In Thüringen ist die AfD vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Auf die Frage, was wäre, wenn man die Stimmen der AfD für eine Mehrheit benötige, sagte Scholz den Satz: „Das ist doch keine Zusammenarbeit.“ Misst der Kanzler mit zweierlei Maß?
Was Linnemann und die Autor:innen des CDU/CSU-Lagepapiers auslassen, ist der Kontext: In dem Gespräch mit der „Thüringer Allgemeinen“ mit Scholz ging es um die kommunale Ebene. Die drei Journalist:innen bezogen ihre Frage darauf, dass es in Städten und Landkreisen schwierig sei, den Kurs gegen die AfD durchzuhalten. Scholz schloss aber auch schon zuvor eine Kooperation mit der AfD auch auf dieser Ebene aus. „Ich sehe auch in den Kommunen keinen Anlass für eine Zusammenarbeit“, sagte er. Schließlich könnten andere Parteien ebenfalls Anträge für etwa den Kita-Ausbau zur Abstimmung stellen.
Auch verweist Scholz darauf, dass es im Bundestag sowie in den Ländern nicht üblich sei, für andere Anträge als denen der Regierung zu stimmen. „Da wird Anträgen der Opposition nahezu nie zugestimmt, auch schon bevor die AfD im Bundestag war, war das so“, sagt Scholz und fügt später hinzu: „Dafür braucht [es] keine rechtsextreme Partei.“
Dass es zu einem solchen Fall auf Bundes- oder Landesebene kommen könnte, kann sich der Kanzler offenbar damals nicht vorstellen. Auf die Frage, ob es eine „Zusammenarbeit“ sei, wenn ein Antrag aus der demokratischen Mitte nur mit AfD-Stimmen verabschiedet würde, antwortet Scholz: „Mir scheint, hier wird etwas künstlich auf der kommunalen Ebene problematisiert, das weder im Bundestag noch in den 16 Landtagen zum Problem würde.“
Nur einen Monat später kam es allerdings genau dazu – und zwar in Thüringen: Die CDU brachte einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer ein. Beschlossen wurde er mit Stimmen von CDU, FDP und AfD.
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