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Politik: „Das Regime in Teheran wird bald verschwunden sein“

Der iranische Publizist Bahman Nirumand über den neuen Präsidenten Ahmadinedschad und den Wandel der Gesellschaft

Herr Nirumand, hat Sie der Aufruf von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad zur Auslöschung Israels überrascht?

Seit vielen Jahren hat sich kein iranischer Staatspräsident mehr so radikal geäußert. Das hat mich überrascht. Andererseits kenne ich die Ideologie und den beschränkten Horizont Ahmadinedschads und erwartete schon so was.

Wie kam die Äußerungen bei der iranischen Bevölkerung an?

Die Iraner haben die Nase voll. Sie hören diese Sprüche schon seit der islamischen Revolution 1979. Gerade junge Menschen im Iran haben andere Dinge im Kopf als darüber nachzudenken, wie man Israel ausradieren könnte. Es gibt unter den Jugendlichen eine hohe Arbeitslosigkeit und viele Drogensüchtige. Das sind reale Probleme. Die Adressaten Ahmadinedschads sind die unteren Schichten, die die Märtyrerideologie verinnerlicht haben. Sie haben ihn ja auch gewählt.

War die Äußerung Ahmadinedschads ein Zeichen von Stärke oder von Schwäche, nach dem Motto: Hunde, die bellen, beißen nicht?

Es war vor allem dumm. Welcher Teufel ihn da geritten hat? Mitten im Streit um Irans Atomprogramm! Damit hat er den USA in die Hände gespielt, die ihre Warnungen vor dem Iran nun bestätigt sehen. Ich nehme an, die Rivalen Ahmadinedschads haben ihn aufs Glatteis geführt. Er hat keine politische Erfahrung und ist ideologisch verbrämt. Es dauerte ja nicht lange, bis ihm Ex-Präsident Chatami und Rafsandschani, der Führer des mächtigen Schlichterrats, widersprachen.

Muss man die Äußerungen Ahmadinedschads dann eher vor dem Hintergrund iranischer Innenpolitik sehen?

Amadinedschads Ziel ist in der Tat die Abkehr Irans von Europa. Er will stärker mit China, Russland und Indien zusammenarbeiten. Das dürfte den Rafsandschani-Clan stören, der finanzielle Interessen im Westen hat. Stutzig gemacht hat mich auch, dass Ahmadinedschad seinen Streit mit Italien wegen einer Pro-Israel-Demonstration in Rom vom Zaun gebrochen hat. Italien ist ein wichtiger Handelspartner Irans. Diese Verschärfung der Rhetorik ist ein qualitativer Unterschied zu früheren Regierungen.

Der Iran gilt als das Land in der muslimischen Welt, wo demokratische Strukturen am ehesten eine Chance hätten …

Das politische Bewusstsein der Iraner und vor allem das der Frauen ist viel stärker ausgeprägt als in anderen islamischen Ländern. Ich lese jeden Tag Zeitungen im Internet. Da stehen fantastische Dinge. Die Journalisten im Iran sind sehr mutig. Zeitungen sind verboten worden, Journalisten sitzen im Gefängnis. Aber es sind zu viele. Man kann sie nicht alle einsperren. Sie sind Meister der Verklausulierung, aber das Volk versteht die Kritik. Das Regime wird in zehn Jahren verschwunden sein.

Welche Folgen würde eine US-Intervention haben?

Es wäre eine Katastrophe. Der Iran wäre für die USA hundertfach schlimmer als Irak.

Die Fragen stellte Philipp Lichterbeck.

Bahman Nirumand

ist Publizist. Der Iraner lebt seit 1982 im deutschen Exil, wo er auch studierte. Er hat unter anderem die Khomeini-Biografie „Mit Gott für die Macht“ geschrieben.

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