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Politik: Das System Volkswagen

Angeblich stehen bis zu hundert Politiker auf der Gehaltsliste des Autokonzerns – Der Vorstandschef verspricht Aufklärung

Böse Zungen reden schon spöttisch über das „System Volkswagen“. Der große Konzern mit Sitz in Wolfsburg tue viel dafür, um sich Politiker wohl gesonnen zu halten. Seit mit der Affäre Laurenz Meyer die Nebentätigkeiten der Volksvertreter kritisch unter die Lupe genommen werden, gerät nun VW ins Visier. Zwei niedersächsische Landtagsabgeordnete, beide im Raum Wolfsburg beheimatet und in der SPD verwurzelt, sollen jahrelang monatliche Zahlungen von dem Autokonzern erhalten haben – und zwar offenbar ohne entsprechende Gegenleistungen.

Die Vorwürfe halten die niedersächsische Landespolitik in Atem. Im Landtag stellt man sich auf noch weitere Enthüllungen ein. Bundesweit, so wird gemutmaßt, sollen 100 Namen von Politikern auf einer Liste stehen, die von VW Zuwendungen erhalten haben. Ob die Zahl stimmt oder übertrieben ist, soll schon in einigen Tagen klar sein, denn der Konzern will die Liste bald veröffentlichen. Vorher allerdings sollen alle, die dort vermerkt sind, um Einverständnis gefragt werden.

Wie schwierig die Abwägung im Einzelfall wird, zeigen die Beispiele der beiden SPD-Politiker. Der 43-jährige Ingolf Viereck, ehrenamtlicher Bürgermeister in Wolfsburg und seit zehn Jahren Landtagsabgeordneter, hat während seiner Zeit im Landesparlament offenbar rund 3000 Euro monatlich von VW erhalten – zusätzlich zu den Landtagsdiäten von monatlich 5403 Euro. Außerdem konnte er einen Golf als Dienstwagen nutzen. Für die Sportförderung, sagte Viereck, sei er tätig gewesen. Dies geschah wohl als Heimarbeit, denn einen Arbeitsplatz im Werk hat der Politiker nicht. Wenn diese Darstellung stimmt, wäre das rechtlich einwandfrei. Denn nach dem niedersächsischen Abgeordnetengesetz ist Politikern ein Nebenverdienst erlaubt – allerdings nur dann, wenn der Empfänger der Vergütung tatsächlich eine Leistung erbringt und diese in keinem Zusammenhang mit seiner Arbeit als Abgeordneter steht.

Gerade im Fall Viereck ist hier ein Trennungsstrich sehr schwer zu ziehen. Zum einen engagiert sich der Politiker seit Jahren in der Sport- und Jugendpolitik. Dies tut er sowohl im Landtag als auch im Rat der Stadt Wolfsburg. Weil viele Sport-Investitionen in und um Wolfsburg direkt oder indirekt mit VW zu tun haben, können die Grenzen zwischen einer politischen Arbeit und einer Nebentätigkeit für VW bei Viereck schwimmend sein. Erschwerend kommt hinzu, dass es Stimmen aus der VW-Führungsetage gibt, die von Vierecks Arbeit für den Konzern nichts wissen wollen.

Der zweite Fall betrifft den Helmstedter SPD-Landtagsabgeordneten Hans- Hermann Wendhausen, der ebenfalls seit Jahren Vergütungen von VW erhalten hatte. Bevor er in Altersteilzeit gewechselt sei, habe er zwei- bis dreimal wöchentlich in der Forschungsabteilung von VW gearbeitet, sagte der Politiker.

Ein dritter Fall betrifft den Bundestag. Der Parlamentarier Hans-Jürgen Uhl bestätigte, ein Gehalt von VW zu bekommen – allerdings erst seit Beginn seiner Arbeit im Bundestag vor zwei Jahren. Vorher war er im Betriebsrat von VW tätig, eine Arbeit, die er offenbar weiterhin ausübt. Am Fall Uhl drängt sich die Frage auf, ob die Sonderzahlungen von VW vielleicht nur deshalb fließen, weil der Politiker mittlerweile im Bundestag nahe an der Machtzentrale sitzt.

Zwei Besonderheiten runden das Bild ab. Zum einen ist die wirtschaftliche Stellung von VW in Niedersachsen so übermächtig, dass sich Politiker ihr gar nicht entziehen können. Ob es um Sport- oder Kulturförderung geht oder um Investitionen in Wolfsburg, Hannover, Braunschweig oder Emden – der klamme Staat hat sich in der Vergangenheit oft auf die Unterstützung von VW verlassen können. Das finanzpolitische Wohl und Wehe des Landes Niedersachsen hängt überdies entscheidend davon ab, ob es VW gut geht oder nicht. Die Firma ist der größte Steuerzahler und hält zudem ein Heer von Zulieferfirmen am Leben.

Die zweite Auffälligkeit betrifft die enge Verbindung von Management und Politik. VW-Personalchef Peter Hartz, der aus dem Saarland kommt, zählt zu den engsten Beratern von Kanzler Gerhard Schröder. Aus seiner SPD-Nähe macht er auch keinen Hehl. Außerdem gibt es bei VW eine Abteilung mit dem merkwürdigen Namen ,,Regierungsbeziehungen“, und Viereck hatte angegeben, für jene Untergliederung tätig gewesen zu sein. Was aber genau sind ,,Regierungsbeziehungen“? Es scheint, als müsse Volkswagen noch einiges aufhellen.

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