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Politik: Der Angezählte

Nach dem Wahldebakel im sächsischen Landtag wächst in der CDU die Unzufriedenheit mit ihrem Ministerpräsidenten

Fritz Hähle war bislang nicht dafür bekannt, dass ihn etwas aus der Ruhe bringt. Wer den 62-Jährigen kurz nach dem Wahldebakel Mitte voriger Woche im Dresdner Landtag erlebte, musste einen neuen Eindruck gewinnen. Der Chef der bislang so mächtigen CDU-Fraktion im sächsischen Landtag schlich kreidebleich übers Parkett und rang nach Worten.

Er habe die Abgeordneten doch eindringlich auf die Konsequenzen hingewiesen, murmelte er. „Ich verstehe das alles nicht.“ Georg Milbradt wurde an jenem Tag erst im zweiten Wahlgang gewählt. Fünf Abgeordnete aus dem Regierungslager versagten ihm die Unterstützung. Als wäre dies nicht genug, erhielt der Gegenkandidat von der rechtsextremen NPD auch noch zwei Stimmen aus den Reihen der demokratischen Parteien.

In der CDU-Fraktion mit ihren 55 Abgeordneten sieht man den Stern von Milbradt nun bereits sinken. Einige rechnen damit, dass er in zwei bis drei Jahren, also in der Mitte der Legislaturperiode, abgelöst werden wird. „Es ist nicht die Frage, ob das passiert“, sagt ein einflussreicher CDU-Mann. „Die Frage ist, ob das halbwegs geordnet über die Bühne geht.“ Wer Milbradt beerben könnte, ist aber unklar.

Seit dem Debakel rätselt man, wer als „Heckenschütze“ in Betracht kommt. Aber längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass dies wenig fruchten dürfte. „Wer immer es war, er wird Milbradt anschließend lächelnd gratuliert und Gottes Segen gewünscht haben“, sagt ein Abgeordneter. In der Fraktion hoffen Milbradts Gefolgsleute, dass wieder Ruhe einkehrt. „Wir müssen nach vorne schauen“, empfiehlt etwa Hermann Winkler, CDU-Staatskanzleichef. Es mache keinen Sinn, nach den Schuldigen zu suchen. Seit die CDU bei der Landtagswahl im September knapp 16 Prozentpunkte eingebüßt hat, rumort es an der Basis. Nun sollen Regionalkonferenzen Anfang 2005 Druck aus dem Kessel nehmen.

Wie es um die Kräfteverhältnisse bestellt ist, wird sich spätestens in einem Jahr zeigen, wenn der CDU-Landesvorsitzende neu gewählt wird. In der Fraktion gibt es keine eindeutige Lagerbildung für oder gegen Milbradt. Klar ist nur, dass er noch nie sonderlich beliebt war. Die Zahl der Unzufriedenen dürfte noch gestiegen sein. Viele Abgeordnete haben sich offenbar noch immer nicht an den Gedanken gewöhnt, dass die SPD nun mit an der Regierung ist. Man trauert alten Zeiten nach. Leute wie Ex-Wissenschaftsminister Matthias Rößler sind verschnupft, weil sie Einfluss und Posten verloren haben.

In der CDU geht man davon aus, dass es bei den nächsten Abstimmungen im Landtag keine neue Schlappe geben wird, da geheime Wahlen nicht anstehen. Die Kritiker müssten sich aus der Deckung wagen. Das aber gilt als unwahrscheinlich. Aber Milbradt ist auch so geschwächt genug. Er sei ein Regierungschef auf Abruf, heißt es in der Fraktion. Gerätselt wird nun früher als erwartet über mögliche Nachfolger. Ambitionen werden unter anderem Innenminister Thomas de Maizière nachgesagt. Doch vielen gilt der eloquente Jurist als zu kühl und zu sachlich. Ein Unionsmann: „Er wäre die beste Wahl. Aber es besteht die Gefahr, dass er wie Milbradt nicht die Herzen der Menschen erreicht.“

Lars Rischke[Dresden]

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