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Politik: Der Angstbeißer

EKLAT IN ÖSTERREICH

Von Christoph von Marschall

Keine Panik, die Entzauberung der Rechtspopulisten durch Regierungsbeteiligung hat funktioniert. Zweieinhalb Jahre war Haiders FPÖ an der Macht in Wien, hat die Vizekanzlerin, den Finanz-, den Verteidigungsminister gestellt. Es gab weder fremdenfeindliche Gesetze noch antieuropäische Vorstöße. Und Haider, vor dem die EU-Demokratien eine solche Angst hatten, dass sie erstmals Sanktionen gegen ein Mitgliedsland verhängten, ist vom Ziel, Kanzler zu werden, weiter entfernt als im Jahr 2000; in den Umfragen ist die FPÖ deutlich hinter die beiden Großen, SPÖ und ÖVP, zurückgefallen, auf unter 20 Prozent.

Den Eklat hat Haider jetzt ausgelöst, weil er den Machtkampf sucht, ehe ihm die Kontrolle vollends entgleitet – selbst auf die Gefahr der Spaltung seiner Partei hin. Und doch irritiert, dass ein Mann, der weder ein Amt in der Partei noch in Wien hat, ausreicht, um eine Regierung zu stürzen, die ordentlich gearbeitet hat. Sein Ungeist ist virulenter als erwartet – jedenfalls in der Partei. Ob auch unter den Wählern, das wird man erst am Wahlergebnis ablesen können. Seine Intervention wirft Österreich zurück auf den Stand der 90er Jahre – als der politische Comment keine Alternative zur Großen Koalition kannte, was Haider von Wahl zu Wahl stärker machte, bis es nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, wann er Kanzler wird. Wird Österreich erneut von dieser lähmenden Ausweglosigkeit ergriffen? Steht die Regierungsfähigkeit der dritten Kraft nun wieder in Frage?

Das Parteiensystem hat seine österreichischen Besonderheiten. Doch die zweieinhalb Jahre ÖVP-FPÖ-Koalition haben die Konstellation verändert. Das zeigt schon die Mehrheit von SPÖ und Grünen in den Umfragen. Auf die sollte man jedoch nicht zu große Hoffnungen setzen. Rot-Grün verträgt sich in Österreich schlecht, weil die SPÖ sozialistischer ist als die SPD, und die Grünen sind strukturkonservativer als die deutschen; zudem hat ihr jüngster Höhenflug mehr mit dem Hochwasser als mit ihrer Substanz zu tun.

Wichtiger ist: Das Kräfteverhältnis zwischen den Koalitionspartnern hat sich gewandelt. Wolfgang Schüssel hat als Kanzler an Statur gewonnen und die ÖVP gefestigt; er muss nicht mehr mit clownesken Auftritten – „der mit dem Mascherl“ (der Fliege) – um Aufmerksamkeit buhlen. Das erlaubt ihm auch einen selbstbewussteren Umgang mit der SPÖ.

In der FPÖ wurde Haiders Einfluss gemindert, es gelang ihm nicht, von Kärnten aus die Fäden in Wien zu ziehen. Vizekanzlerin Riess-Passer und Finanzminister Grasser – der populärste FPÖ-Politiker, eben weil er eine kesse Lippe auch gegen Haider riskiert – haben mit ihrem konstruktiven Stil Autorität gewonnen und der Partei ein seriöseres Image verpasst. Deshalb sah es ja auch fast schon so aus, als könnten sie Haiders Angriff parieren. Frech setzten sie seiner Drohung, die Verschiebung der Steuerentlastung durch ein Volksbegehren gegen die eigene Koalition zu verhindern, die Drohung mit einer Volksbefragung zugunsten der Hilfe für Flutopfer entgegen. Volk gegen Volk – vor dem Duell mit seinen eigenen Waffen schreckte der Volkstribun zurück.

In der Partei aber hat er den größeren Einfluss. Noch. Deshalb sollte man nicht auf eine Spaltung der FPÖ hoffen. Der Riess-Passer-Flügel würde als eigenständige Kraft zwar nicht gleich in der Versenkung verschwinden wie das Liberale Forum, das 1993 auszog. Im Wahlkampf gegen den begnadeten Populisten hätte er aber die schlechteren Chancen. Warum nicht darauf setzen, dass sich die FPÖ in einem neuen Anlauf auf die seriöse Linie bringen lässt – etwa, wenn Haider bei der Wahl schlecht abschneidet.

In den Wahlkampf wird er die FPÖ mit den erprobten Methoden führen. Mit der Verteidigung der kleinen Leute vor denen da oben, die wegen „a bisserl Regen“ die versprochene Steuerentlastung verschieben; die bei der EU-Erweiterung die nationalen Interessen der grenznahen Gewerbetreibenden verraten und die bösen Tschechen trotz Benes-Dekreten und gefährlicher Atomkraft mit Integration belohnen. Deshalb kommt Haider ein Wahltermin im November entgegen: vor dem entscheidenden EU-Gipfel.

Haider ist noch nicht am Ende, aber er war kurz davor. Er hat die Kraft, eine Regierung zu stürzen, doch nicht mehr die Kraft, die Macht zu erringen. Das ist ein Fortschritt.

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