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Politik: Der Bundestagspräsident steht im Mittelpunkt eines bizarren Streits um ein Stasi-Agentenpaar

Ob sich Wolfgang Thierse wohl noch einmal so äußern würde? Im Mai 1997 kommentierte der heutige Bundestagspräsident das Urteil gegen den ehemaligen DDR-Spionagechef Markus Wolf.

Von Matthias Meisner

Ob sich Wolfgang Thierse wohl noch einmal so äußern würde? Im Mai 1997 kommentierte der heutige Bundestagspräsident das Urteil gegen den ehemaligen DDR-Spionagechef Markus Wolf. Thierse, damals in seiner Funktion als stellvertretender SPD-Vorsitzende, verlangte als "Akt der Menschlichkeit und des Verzeihens" die Strafen für diejenigen auszusetzen, die im Westen für die Stasi spioniert haben. "Eine Amnestie für diejenigen, die in Westdeutschland Spionage für die DDR betrieben haben, würde den Anspruch, dass Recht gesprochen werden muss, nicht mehr beschädigen."

Heute, zweieinhalb Jahre später, steht Thierse im Mittelpunkt eines bizarren Streits um zwei Stasi-Agenten: das Ehepaar Doris und George Pumphrey, Mitarbeiter der Pressestelle der PDS-Bundestagsfraktion. Diesmal geht es nicht um das Straf-, sondern um das Arbeitsrecht. Das Paar soll nach Aufforderung des Bundestages entlassen werden, weil es vor der Wende die Grünen bespitzelt hat. Im Januar 1998 waren die Eheleute deshalb vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen "geheimdienstlicher Agententätigkeit für eine fremde Macht" zu je sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Einen Hehl aus ihrer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit hatten die Pumphreys, die vor der Wende für die grüne Bundestagsfraktion arbeiteten, nicht gemacht. Schon 1996 schrieben sie: "Für die Hauptverwaltung Aufklärung erarbeiteten wir Analysen über Positionen und Tendenzen bei den Grünen. Wir wollten, dass die DDR besser verstehen konnte, mit welchen Entwicklungen sie in der Friedensfrage und vor allem auch in der Deutschlandpolitik der Grünen rechnen musste."

Die Aufforderung Thierses an die PDS, das Paar zu entlassen, geht auf einen Beschluss des Ältestenrates zurück, den dieser vor wenigen Wochen gegen das Votum der PDS gefaßt hatte. Der Bundestagspräsident scheint entschlossen, die Beschlusslage durchzusetzen. Dieser Tage erneuerte er in einem Schreiben an den PDS-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi die Aufforderung, "die Arbeitsverhältnisse zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden".

Zeitgleich gab die Verwaltung des Parlaments einen Rundbrief mit Fotos des Paares an alle Pförtner. Danach sei es den Eheleuten Pumphrey "ab sofort untersagt, die Liegenschaften des Deutschen Bundestages (...) zu betreten". Fraktionsausweise seien "für ungültig erklärt und einzuziehen". Eine Ausnahme wurde lediglich für das Gebäude Jägerstraße 67 festgelegt. Dort hat die Fraktionsspressestelle der PDS ihren Sitz. Bundestagsspräsident Wolfgang Thierse begründete, es gelte "den Deutschen Bundestag vor einer Beeinträchtigung seines Ansehens und seiner Funktionsfähigkeit zu schützen".

Wie der Konflikt gelöst werden kann, ist offen. In der Fraktionssitzung der PDS sorgte der Fall Pumphrey diese Woche für eine heftige Auseinandersetzung. Einige Abgeordnete forderten eine öffentliche Solidaradresse für das Agentenpaar. Von Berufsverbot, Hexenjagd und Steckbriefen der Bundestagsverwaltung war die Rede. Nur mit Mühe konnte die Fraktionsspitze die Gemüter beruhigen. Gysi zum Tagesspiegel: "Generell bin ich nicht an einer Eskalation interessiert."

Das darf allerdings nicht missverstanden werden: Zwar spricht PDS-Sprecher Reiner Oschmann vom Interesse der Fraktion, die Sache "mit Augenmaß" zu klären. Ausdrücklich soll mit Thierse eine "einvernehmliche Lösung" gesucht werden. Den Rahmen dafür haben Gysi und PDS-Fraktionsgeschäftsführer Roland Claus aber eng gesteckt: "Es gibt keinen Anlass, uns von den Pumphreys zu trennen."

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