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Der weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko: Brot und Peitsche für das Volk, Euros und Rubel aus West und Ost.

© dpa

Aleksandr Lukaschenko begnadigt Oppositionelle: Der Diktator gibt sich gnädig - und gierig

Der weißrussische Diktator Aleksandr Lukaschenko hat sechs prominente Oppositionelle begnadigt. Sein Land braucht Kredite aus dem Westen - und aus Moskau.

Er galt als Weißrusslands Nelson Mandela. Fast fünf Jahre war er in Haft, war gefoltert worden und hatte einen Hungerstreik abgehalten. Ein Begnadigungsschreiben an Aleksandr Lukaschenko aber lehnte Mikolai Statkiewitsch standhaft ab. Am Wochenende kam er trotzdem frei. „Er wollte sitzen und im Gefängnis zum Helden werden“, höhnte der Autokrat. Doch als Staatspräsident habe er nun aus „humanitären Gründen“ anders entschieden und Statkiewitsch freigelassen. Mit dem bekanntesten Oppositionellen kamen fünf weitere politische Gefangene frei, darunter der zu sieben Jahren Haft verurteilte Anarchist Artsjom Prokopenko.

Lukaschenko hatte das Freilassungsdekret ausgerechnet einen Tag nach Ablauf der Kandidatenregistrierung für die Präsidentschaftswahlen vom 11. Oktober unterschrieben. Statkiewitsch, der letzte politische Gefangene der Massenfestnahmen nach den blutig niedergeschlagenen Wahlprotesten vom Dezember 2010, wollte aus dem Gefängnis heraus für die sozialdemokratische Partei „Hramada“ kandidieren. Doch der zerstrittenen Opposition gelang es nicht, sich auf einen Einheitskandidaten festzulegen. Auch die Kandidaten der Liberalen und der Kommunisten scheiterten in der Folge. Als einzige Oppositionelle schaffte es die wenig bekannte Minsker Bürgeraktivistin Tatsjana Karatkewitsch die für eine Registrierung nötigen 100 000 Unterschriften zu sammeln.

Mikolai Statkiewitsch nach seiner Freilassung aus den Gefängnis am 22. August in Minsk. Das politische Klima bleibt in Weißrussland höchst repressiv.

© Reuters

Weißrussische Bürgerrechtler vermuten, dass Lukaschenko sich mit der Freilassung der letzten politischen Langzeitgefangenen die Anerkennung seiner als sicher geltenden fünften Wiederwahl in Folge sichern will. Die Ukrainekrise und die russische Aggression im Donbass haben die Weißrussen das Fürchten vor Moskau gelehrt und Lukaschenkos Unterstützung wieder anwachsen lassen. Der Autokrat weiß diese Angst auszunutzen und laviert rhetorisch wieder geschickt zwischen Moskau und Ukraine-freundlichen Stellungnahmen. Auch die seit 2010 von westlichen Diplomaten gemiedene Hauptstadt Minsk hat er im Ukrainekonflikt als neutralen Verhandlungsort etabliert. Ausgerechnet auf Einladung des geächteten Autokraten Lukaschenko haben Merkel, Hollande und Putin für den Donbass im Februar die Minsker Friedensverträge ausgehandelt.

Lukaschenko changiert geschickt zwischen West und Ost

Eine Annäherung an den Westen würde für den heute völlig auf Russland angewiesenen Lukaschenko auch neue Geldquellen erschließen. Für Statkiewitsch liegt auch hier die Motivation seiner überraschenden Freilassung. „Weißrussland steckt in einer grauenhaften Wirtschaftskrise und braucht Westkredite“, erklärte er am Montag in einem Interview mit der polnischen „Gazeta Wyborcza“.

Dem Westen rät Statkiewitsch deshalb zu Standhaftigkeit und demokratischer Prinzipientreue. „Bald wird sich Lukaschenko neue Geiseln schnappen und einen erneuten Handel mit dem Westen versuchen.“

Weißrusslands Wirtschaft wächst seit Jahren kaum. Indikatoren wie der HDI-Index für menschliche Entwicklung sehen das Land aber vor mehreren EU-Staaten wie Rumänien und Bulgarien. Der Weißrussische Rubel ist zuletzt gegenüber dem Euro eingebrochen. Experten in Minsk gehen davon aus, dass Lukaschenko noch vor den Wahlen neue Kredite braucht. Eine Annäherung an die EU und die USA, die beide die Freilassung aller politischen Gefangenen zur Vorbedingung für eine Wiederaufnahme von Gesprächen gemacht hatten, würde dem weißrussischen Autokraten auch eine Trumpfkarte in allfälligen Kreditverhandlungen mit Russland in die Hand geben.

Die weißrussische Menschenrechtsorganisation „Wiasna“ weist indes darauf hin, dass es um die Bürgerrechte auch nach der Freilassung der sechs politischen Langzeithäftlinge schlecht bestellt sei. Erst vor Wochenfrist sind drei junge Demokratie-Aktivisten in Untersuchungshaft gekommen. Ihnen wird wegen zweier politischer Schmierereien „böswilliger Hooliganismus“ vorgeworfen, ein unklar gefasster Tatbestand, der mit jahrelangem Arbeitslager geahndet werden kann.

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