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Politik: Der falsche Krieg

ANGRIFF AUF DEN IRAK

Von Giovanni di Lorenzo

Die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien führen seit dieser Nacht nicht nur Krieg gegen den Irak. Sie führen Krieg gegen nahezu die gesamte Weltöffentlichkeit. So viel Ablehnung gab es seit dem Vietnamkrieg und dem Überfall der Sowjets auf Afghanistan nicht mehr. Aber das waren noch Konflikte in der Zeit des Kalten Krieges, so dass auf der Ebene der Regierungen die jeweiligen Verbündeten zueinander hielten. Heute verurteilen sogar ein Staatspräsident und ein Kanzler im Westen Europas mit scharfen Worten den Angriff auf den Irak. Politisch lässt sich das vielleicht reparieren. Den größten Schaden aber wird man nur sehr langsam beheben können. Der politische, kulturelle und gesellschaftliche Fixpunkt Amerika ist in den Augen von Milliarden Menschen verblasst. Der vorherrschende Eindruck: Eine imperialistische Macht tut, was sie will, ohne Rücksicht auf Freund und Feind.

Ist das gerecht, vier Jahre, nachdem sich die USA unter Clinton uneigennützig in den KosovoKonflikt einschalteten und damit das Morden zu stoppen halfen, dem Europa allein hilflos zugesehen hatte? Anderthalb Jahre, nachdem die Anschläge vom 11. September zu einer beispiellosen Allianz gegen den Terrorismus geführt hatten? Auch wenn Deutschland und andere Länder zur Verhärtung der Fronten beigetragen haben – in Washington schlug am Ende die Stunde der Anti-Diplomaten. Noch bedrückender ist der Mangel an Glaubwürdigkeit, an dem die Bush-Administration leidet.

Die berühmte UN-Resolution 1441 sah nie den Regimewechsel vor, sondern nur die Entwaffnung des Irak. Zuletzt aber ging es Bush fast nur noch um den Regimewechsel, die friedliche Entwaffnung schritt ja langsam, aber erfolgreich voran. Den Irakern und den Anrainerstaaten wäre das Ende Saddams und seines Horrorclans nur zu wünschen. Aber der so erzwungene Regimewechsel ist völkerrechtlich fragwürdig, und die Vereinigten Staaten haben sich dazu nicht gerade die moralischen Weihen verdient.

Sie paktieren mit zu vielen Schurken in anderen Ländern, angefangen mit den Herrschern in Saudi-Arabien, aus dem die stärkste Unterstützung für Osama bin Laden kam. Dort, wo sie bereits ein Regime stürzten – in Afghanistan –, haben sie den Verbündeten die Hauptaufgabe überlassen, für Sicherheit und Wiederaufbau zu sorgen. Die USA sahen zuvor offenbar keine andere Möglichkeit, als sich mit dem Kriegsverbrecher Dostum zu verbünden, der beschuldigt wird, tausende gefangene Taliban ermordet zu haben. Schließlich kann es einem um die Zukunft der Kurden im Nordirak angst und bange werden, die schon nach dem Golfkrieg 1991 zu den Betrogenen zählten. Nun wollen die USA angeblich die Region ausgerechnet den Türken überlassen.

Dieser Krieg ist nach allem, was wir heute wissen, falsch. Trotzdem müssen wir dafür Sorge tragen, dass wenigstens der Krieg der Worte eingedämmt wird. Dass wir im Angesicht der Tragödie der Versuchung widerstehen, über die jeweils andere Seite Recht behalten zu wollen. Wir können nur hoffen, dass dieser Krieg kürzer wird und weniger Opfer fordert, als viele befürchten. Wir müssen uns am Wiederaufbau und an der Befriedung der Region beteiligen. Und wir müssen die brüchig gewordenen Allianzen wieder kitten. Es könnte ja sogar sein, dass der weltweite Widerstand gegen den Krieg schon eines bewirkt hat – der Bush-Regierung die Lust am Alleingang gründlich zu verleiden.

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