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Politik: Der Friedfertige ist der Dumme

AMERIKA TRIUMPHIERT

Von Malte Lehming

Kurz vor dem IrakKrieg wurde im US-Fernsehen ein etwas älterer Mann aus der Friedensbewegung befragt. Was er sagen würde, wenn die Invasion nach wenigen Wochen vorbei sei? Wenn es keine Flüchtlingsströme, humanitäre Katastrophen und brennende Ölfelder geben würde? „Das wäre das Schlimmste", antwortete der Mann. Leicht irritiert hakte der Moderator nach. „Dann hätte die verdammte Logik dieses Krieges gesiegt", lautete die Erklärung. „Dass Amerika nach Belieben die ganze Welt neu ordnen kann."

Vielleicht ist das die niederschmetterndste Erfahrung aller Kriegsgegner. Moral und Mehrheiten nützen nichts. Amerika kann, was es will. Europa mag sich recken und strecken: Sein Einfluss auf die US-Politik ist gering. Vier Phasen kennzeichnen die Entwicklung. Am Anfang stand die Zurückweisung. Nichts liegt den Europäern mehr am Herzen als das Recht und die Umwelt. Beides wurde von Bush verhöhnt. Ein Internationaler Gerichtshof? Ohne uns. Der Kyoto-Vertrag? Steigen wir aus. Die zweite Phase, die des Mitgefühls, setzte am 11. September ein. Sie dauerte nur kurz und wurde von der Angst überlagert, der verwundete Riese werde überreagieren. Gerhard Schröder leitete die dritte Phase ein, die der Rebellion. Sie richtete sich gegen den drohenden Irak-Krieg, speiste sich aber nicht nur aus Sorgen um Stabilität und Völkerrecht. Die Supermacht sollte in ihre Schranken gewiesen werden. Nur ein einziges Mal.

Nun steht das tapfere Trio gegen den Irak-Krieg – Deutschland, Frankreich, Russland – vor einem Scherbenhaufen. Verhindert wurde der Krieg nicht. Die Mauern jener Institutionen, über die Einfluss ausgeübt werden konnte, zerbröseln. Ob die UN, die Nato oder die EU: Sie alle wurden geschwächt. Also hat die Phase vier im transatlantischen Verhältnis begonnen – die der Erniedrigung. Das Trio zerfällt. Frankreich prescht im UN-Sicherheitsrat mit Anbiederungen an Amerika vor, die weder mit Berlin noch Moskau abgesprochen waren. Russland will im Buhlen um die amerikanische Gunst nicht abseits stehen. US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice geht im Kreml ein und aus. Nur die Bundesregierung weiß nicht recht, was sie machen soll.

Amerika dagegen sonnt sich im Wohlgefühl seiner neu demonstrierten Allmacht. Saddam Hussein wurde besiegt und nebenbei ein „Zwergenaufstand" niedergeschlagen. Süffisant unterteilt wird das Trio in die Gierigen, die Verschlagenen und die Dummen. Die Gierigen sind die Russen, die geschäftlich mit dem irakischen Regime verbandelt waren. Die Verschlagenen sind die Franzosen, die den USA eins auswischen wollten. Die Dummen sind die Deutschen, bei denen das treibende Motiv bloß naive Friedenssehnsucht war. „Lasst uns Russland vergeben, Frankreich bestrafen und Deutschland ignorieren", empfiehlt ein Kommentator der „Washington Post“. Er spricht aus, was die US-Regierung denkt.

Was kann Europa tun, um an Statur wieder zu gewinnen? Herzlich wenig. Die Einsicht schmerzt: Stellt es sich gegen Amerika, verliert es den Streit. Trottet es am Mantelzipfel mit, verliert es an Würde. Der goldene Weg liegt wohl irgendwo in der Mitte, zwischen französischer Anmaßung und britischer Beflissenheit. Gefunden hat ihn noch keiner.

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