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Politik: Der Gratis-Mut der Opposition (Kommentar)

Ein bisschen vergesslich sind wir ja alle. Aber der Alzheimer-Bonus, den die CSU bei der Präsentation ihres jüngsten Steuerkonzepts glaubt in Anspruch nehmen zu können, ist reichlich groß angesetzt.

Von Robert Birnbaum

Ein bisschen vergesslich sind wir ja alle. Aber der Alzheimer-Bonus, den die CSU bei der Präsentation ihres jüngsten Steuerkonzepts glaubt in Anspruch nehmen zu können, ist reichlich groß angesetzt. So schlecht ist unser Gedächtnis nun auch wieder nicht, dass wir uns nicht mehr erinnern könnten, mit welcher Mühe einst der CSU-Chef und Bundesfinanzminister Theo Waigel zum Petersberger Steuer-Modell getrieben werden mußte. Damals war eine Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark in zwei Stufen anvisiert worden. Das Konzept von Edmund Stoibers Finanzminister Kurt Faltlhauser zielt gar auf 50 Milliarden Mark bis 2003.

Als die Union noch die Regierung stellte, hätte man das mutig nennen können. Heute klingt es verdächtig nach Gratis-Mut. Der Vorstoß aus München ist denn auch taktisch motiviert. Und das gleich in doppelter Hinsicht: nach innen, in die Union hinein, wie nach außen gegen die rot-grüne Regierung.

Kein Zufall, dass Edmund Stoiber das Faltlhauser-Papier nicht zuerst beim CSU-Parteitag am kommenden Wochenende präsentiert, sondern zum Berliner Strategietreffen mit der Schwesterpartei CDU. Vor einem Jahr strahlte Stoibers Stern in der Opposition hell. Seither hat sich die große Sautersche Wolke vor das Gestirn geschoben und den Glanz gedämpft. Stoiber, der am nächsten Sonnabend wieder gewählt werden möchte, will sich wieder als Antreiber profilieren.

Dabei riskiert er wenig. Denn der Vorstoß aus München entspricht der Linie, die CDU-Chef Wolfgang Schäuble ausgegeben hat: Die Opposition werde die Regierung "unter den Druck der besseren Alternative" setzen. Tatsächlich ist das Faltlhauser-Modell ein Gegenentwurf zur Steuer- und Finanzpolitik des Finanzministers Hans Eichel (SPD). Eichel versucht, mit kleineren Korrekturen am Steuerrecht und einer eher bescheiden daherkommenden Unternehmenssteuerreform die Steuerlast von Bürgern und Wirtschaft etwas erträglicher zu gestalten. Zugleich entlastet er den Staatshaushalt durch drastisches Sparen.

Das CSU-Modell geht den umgekehrten Weg: eine drastische Steuerreform, die zunächst einmal die Staatskasse belastet, aber auf Dauer Wachstum und Beschäftigung derart stimulieren soll, dass der Fiskus sich von dem Aderlass erholt.

Dass Faltlhauser gleich jede Konsolidierung der Staatsfinanzen hintanstellt, notfalls zu mehr Schulden bereit ist, finden auch viele in der CDU falsch. Aber im Prinzip ist sich die Union einig - kein Wunder: Das Faltlhauser-Papier ist nichts grundsätzlich anderes als eine leicht aufgemotzte Variante des Petersberg-Modells.

Damit sind die Frontstellungen für die Konfrontation der kommenden Monate bezogen. Taktisch sind CDU und CSU dabei vermutlich im Vorteil: Ihr Steuerkonzept ist nicht nur mit dem Versprechen auf mehr Geld in den Taschen der Bürger, sondern darüber hinaus mit der Perspektive auf mehr Wachstum verknüpft.

Eine solche plausible Perspektive fehlt bisher dem Sparkonzept der Regierung. Der Staat müsse sich wieder Spielraum verschaffen, lautet Schröders Standard-Formel. Das bleibt aber so lange eine bloße Formel, wie er nicht konkret sagt, für welches Spiel. Erst dann ließe sich fundiert darüber debattieren, welches jetzt der bessere Weg ist. Grundsätzlich falsch sind ja beide nicht.

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