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Anspruchsvolle Vorhaben. EU-Kommissarin Viviane Reding präsentierte in Brüssel ihren Maßnahmenkatalog, mit dem sie Hindernisse für die Freizügigkeit in Europa aus dem Weg räumen möchte.

© dpa

Freizügigkeit in Europa: Der Hürdenlauf der Unionsbürger

Europa verspricht Freizügigkeit - aber in der Praxis gibt es viele Hindernisse. Die EU-Kommission will sie mit einem ganzen Bündel von Gesetzesvorhaben aus dem Weg räumen. Was ist geplant?

EU-Grundrechtekommissarin Viviane Reding weiß um die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit: „Im Europarecht ist die Freizügigkeit glasklar festgeschrieben, aber es gibt ein Problem bei der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten“, sagt sie. Zahlen untermauerten, dass die Menschen bei der Ausübung ihrer Unionsbürgerschaft, so Reding, „im Alltag immer wieder auf Hindernisse stoßen“. Rund eine Million Anfragen, die Wahrnehmung dieser Rechte betreffend, erreichen die europäischen Institutionen jedes Jahr.

Zwar wissen einer repräsentativen Eurobarometer-Umfrage vom Februar zufolge 81 Prozent der Europäer, dass sie seit Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags 1993 eben nicht nur ihre eigene Staatsbürgerschaft besitzen. Gut informiert darüber, was diese Unionsbürgerschaft mit sich bringt, fühlen sich allerdings nur ein gutes Drittel. In dieser Woche nun präsentierte Reding einen Katalog von insgesamt zwölf Maßnahmen, um das Leben der EU-Bürger einfacher zu gestalten. Schon 2010 hatte die EU-Kommission 25 Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Zahl der frustrierenden Alltagserfahrungen zu reduzieren. Im Gesetzgebungsprozess befinden sich inzwischen zum Beispiel Regeln, um die Anmeldungen von Fahrzeugen im EU-Ausland oder die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung zu vereinfachen. Zudem wurden mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, um das Wahlrecht von EU-Bürgern in ihrem Aufenthaltsland durchzusetzen.

Das Dutzend neuer Maßnahmen, die den Freizügigkeitsgrundsatz in der Praxis durchsetzen helfen sollen, verteilt sich auf sechs Politikbereiche. Einer davon ist der Arbeitsmarkt, wo es angesichts der extrem schwierigen Lagen in Südeuropa zu immer stärkeren Wanderungsbewegungen kommt. Die EU-Kommission verfolgt nun das Ziel, dass Arbeitslosenunterstützung aus dem Heimatland nicht nur drei, sondern mindestens sechs Monate gezahlt wird. Dies hatten in einer Befragung gut zwei Drittel als wichtige Erleichterung für einen Neustart im europäischen Ausland angegeben. Außerdem soll ein europaweiter „Qualitätsrahmen für Praktika“ sicherstellen, dass diese „nicht als eine Form der ,unbezahlten Beschäftigung’ zweckentfremdet werden“. Unter dem Stichwort Bürokratieabbau läuft die erleichterte Anerkennung von Ausweisen oder Aufenthaltspapieren. Gerade bei Verlust oder Diebstahl ihrer Dokumente aus dem Heimatland treffen die 13,6 Millionen EU-Bürger, die nicht im Land ihrer Staatsangehörigkeit leben, immer wieder auf große Schwierigkeiten. Geht es nach der Kommission, sollen auch Prüfbescheinigungen für Fahrzeuge künftig ohne großen Aufwand anerkannt werden. Eingeführt werden soll auch ein europaweit anerkannter Behindertenausweis.

Der grenzüberschreitende Online-Einkauf nimmt bereits zu – 30 Prozent der Waren werden den Brüsseler Zahlen zufolge schon aus dem EU-Ausland geliefert. Weil das auch die Zahl der Beanstandungen erhöht, soll das schon existierende Streitschlichtungsinstrument für vergleichsweise kleine Forderungen auf dem sogenannten e-Justice-Portal erweitert werden. Bisher regelt es nur Fälle mit einem Streitwert von maximal 2000 Euro. Dieser soll nun auf 25000 Euro erhöht werden.

Von grundlegenderer Natur sind Probleme mit dem Wahlrecht. „Es gibt Bürger“, so Reding, „die ihres Wahlrechts beraubt werden, einfach weil sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen.“ Nach einem Umzug ins EU-Ausland können sie dort zwar meist an Kommunal- und in jedem Fall an der Europawahl teilnehmen. In sechs Staaten, darunter Großbritannien, verliert jedoch das Wahlrecht, wer den Wohnort ins Ausland verlegt. Das kann nicht über eine EU-Richtlinie geregelt werden, da ausschließlich die Nationalstaaten dafür zuständig sind, wem sie das Wahlrecht geben. Reding will dazu nun „konstruktive Vorschläge machen“.

Die von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und drei Amtskollegen angeforderten Kommissionsvorschläge zu einer möglichen Neuregelung von Sozialleistungen für EU-Bürger etwa aus Bulgarien und Rumänien in Deutschland lehnt Reding dagegen ab. „Die Regeln sind ganz klar“, sagt sie: „Kein Mitgliedsland hat bisher einen Missbrauch mit Zahlen belegen können.“

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