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Politik: Der Kanzler und der Bürgermeister

EIN JAHR SPD-PDS-SENAT

Von Lorenz Maroldt

Warum zeigt Klaus Wowereit eigentlich so unverschämt gute Laune – und Gerhard Schröder so schlechte? Dabei bläst doch beiden ein eiskalter Wind ins Gesicht; würde morgen wieder gewählt, hätten sie nicht den Hauch einer Chance. Die Umfragewerte der Sozialdemokraten schrumpfen so schnell, wie die Schulden in Bund und Land wachsen. Kein Geld in der Tasche, die Bürger auf dem Dach, alle Auswege dicht: Die Lage ist ernst. Oder?

Es könnte sein, dass Wowereits Stimmung der Lage doch entspricht. Wie das? Hier ist der Kanzler in seiner Not, einst gerne Genosse der Bosse, heute ganz Boss der Genossen. Der Marsch durch die Mitte führt ihn zurück zur traditionellen Sozialdemokratie, zurück zur Gewerkschaft. Hier sucht er Deckung, und er bekommt sie – für einen verdammt hohen Preis. Er wird umzingelt, gefesselt, entmutigt. Ganz anders Klaus Wowereit. Wer verfolgt, wie kaltschnäuzig er aufräumt mit den Berliner Besitzstandswahrern, wie er sich anlegt mit den Beamten, wie offen er jenen droht, die meinen, es könne alles so weitergehen, irgendwie, dem kann es schon mal den Atem verschlagen. Kalt nennen das viele, und Recht haben sie. Aber was ist die Alternative? Wowereit setzt auf die Schocktherapie – und wirkt auf einmal ansteckend befreit. Als hätte er eine höhere Ebene erreicht.

Der Kanzler erweckt den fatalen Eindruck, es gehe ausschließlich um Geld, von dem leider wegen der schwächelnden Weltwirtschaft zurzeit nicht genug zur Verfügung stehe. Motto: Wird schon wieder. Der Regierende Bürgermeister dagegen zerstört brutal die Illusion einer vorübergehenden Krise. Alles muss anders werden, sonst wird das hier nie was. Und siehe da: Der Aufstand bleibt aus, es ist stattdessen Bewegung zu spüren. Die behäbigen Universitäten sind, aufgeschreckt von Wowereits schneidigen Kompromisslosigkeiten, plötzlich zu Dingen bereit, an die sie bisher im Traum nicht mal dachten – obwohl sie so nahe liegen. Gemeinsame Fakultäten zum Beispiel. Und die Gewerkschaften ahnen so langsam, dass es im öffentlichen Dienst bald einsamer wird, so oder so. Noch können sie Einfluss nehmen, welche Struktur die Verwaltung bekommt, wie deren irrsinnig hohen Kosten auf ein angemessenes Maß gekappt werden. Dass es passiert, können sie nicht mehr verhindern.

In dieser Woche hat auch die Berliner CDU das Unvermeidliche akzeptiert: die Totalsanierung der Verwaltung. Der gesamte Haushalt müsse in den Dienst der wirtschaftlichen Entwicklung gestellt werden – und genau hier steht die Verwaltung massiv im Weg. Saniert werden soll nach dem Willen der CDU zwar sozial verträglich, aber das bedeutet in Berlin nicht mehr dasselbe wie vor Jahren. Programmatisch ist die CDU damit in Berlin wieder auf der Höhe der Zeit, personell nicht. Beides bedeutet: Politische Rückendeckung bei einem Streik, der bald möglich ist, können die Gewerkschaften kaum erwarten. Die CDU widerspräche sich selbst, und einen Charismatiker, der das hinwegreden könnte, hat sie nicht mehr. Beides zusammen, die programmatische Stärke der CDU und ihre personelle Schwäche, bedeutet aber auch: Der rotrote Senat kann recht unbedrängt und pragmatisch weiterregieren.

Sieht also alles recht gut aus für den Regierenden Bürgermeister? Trägt Wowereit seine prima Laune zu recht? Nicht ganz. Denn überzeugt ist die Stadt vom Senat ja noch nicht, wie sich auch an den Umfragen zeigt, sondern mehr überrumpelt. Auch das ist zwar schon eine Leistung, auf die ein Regierender ruhig schon mal stolz sein darf. Zum wahren Erfolg gehört aber mehr. Die Überrumpelten überzeugen, den Überzeugten einen Anlass geben für Stolz: auf eine Stadt, die sich selbst aus ihrem eigenen Sumpf zieht.

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