
© dpa/Michael Kappeler
Der Kanzler will es wissen: Olaf Scholz, der getriebene Treiber
Der Einstieg in die Rettung seiner Kanzlerschaft ist für Olaf Scholz der „Pakt für die Industrie“ – gemeinsam mit der Wirtschaft. Das Kalkül dahinter ist aber nicht ohne Risiko.

Stand:
Elf Monate vor der nächsten Bundestagswahl scheint der Kanzler nun tatsächlich ernsthaft in den Macher-Modus zu wechseln. Man weiß bei Olaf Scholz zwar nie so recht, denn drei Jahre des Regierens im höchsten Amt haben ihn vorsichtiger werden lassen, was „Wumms-Äußerungen“ betrifft.
Aber seine Entscheidung, Spitzen der deutschen Wirtschaft zu sich ins Kanzleramt zu laden, und zwar nur zu sich, darf man als den Beginn des Unterfangens werten, seine Kanzlerschaft zu retten. Olaf Scholz will es jetzt wissen.
Ginge es um das Retten seiner Koalition, hätte er wohl den Wirtschaftsminister und Vizekanzler sowie den Finanzminister dazu gebeten. Aber am vergangenen Dienstag fehlten Robert Habeck und Christian Lindner. Zur nächsten Spitzenrunde am 15. November sind sie auch nicht eingeladen.
Das Retten der deutschen Wirtschaft in der aktuell angespannten Lage, das Zielen auf eine Wachstumsagenda ins Wahljahr hinein, der „Pakt für die Industrie“– das alles ist alleinige Chefsache, weil Scholz die Ampelkoalition zwar nicht völlig abgehakt hat, sie aber auch nicht mehr als das vorzugswürdige Folgeprojekt seiner ersten Amtszeit betrachtet.
Duell mit Friedrich Merz
Für Scholz kommt es so einzig und allein darauf an, zunächst den Abstand in den Umfragen zur Union und zu deren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zu minimieren. Und dann darum, über das Duell um das höchste Regierungsamt mit Merz langsam die Verhältnisse umzukehren. Denn will Scholz Kanzler bleiben, und um etwas anderes kann es in den kommenden Monaten nicht gehen, muss seine SPD die Union überholen.
Wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch, hat Scholz mal gesagt. Die Wirtschaft hat genau das getan.
Albert Funk
Aktuell klingt das zwar wie die Hoffnung auf eine märchenhafte Entwicklung. Aber der neunte Kanzler der Bundesrepublik hat ja noch elf Monate Zeit. Und die SPD war nie eine Partei, die sich so schnell hat unterkriegen lassen. Weshalb Scholz jetzt also ins Risiko geht. Sein „Pakt für die Industrie“ gehört dazu.
Die wirtschaftliche Lage ist ernst
Doch wer treibt da gerade wen? Die Wirtschaftsverbände, grundsätzlich natürlich eher der Union zugetan, verlangen seit längerem mehr Engagement der Regierung – angefangen beim Bürokratieabbau bis hin zu Investitionsförderung und Subventionierung. Wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch, hat Scholz mal gesagt. Die Wirtschaft hat genau das getan.
Nun wird sie allerdings von Scholz auch vereinnahmt, er macht sie zu Helfern bei seinem ganz eigenen Projekt. Denn wer schlägt schon Einladungen ins Kanzleramt aus, zumal dann, wenn man den Eindruck vermittelt hat, man wolle jetzt mal eingeladen werden.
Der Kanzler ist so gesehen ein getriebener Treiber. Denn die wirtschaftliche Lage ist ja ernst, er kann die Dinge nicht schleifen lassen. Wie sehr Scholz deswegen mit seiner eigennützigen Chefsachenpolitik ins Risiko geht, zeigt die Wahl des nächsten Kanzleramtstermins. Der 15. November ist der Tag, an dem in den frühen Morgenstunden die abschließende Sitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag zum Etat 2025 endet.
Hat Lindner den Kanzler in der Hand?
Wie ein frisches Brötchen kann Scholz der versammelten Wirtschaftselite dann das Ende der Etatquerelen der Ampel präsentieren. Gelingt das nicht, steht er bedröppelt da – denn das zügige Gelingen des Etats verlangen gerade auch die Wirtschaftsspitzen.
Das Risiko steckt also darin, dass der Etat nicht bis zum 14. November fertig wird. Der verantwortliche Minister ist letztlich Lindner. Hat der FDP-Chef den Kanzler also in der Hand? Es sieht nicht danach aus.
Denn die Gegengipfel der FDP – der zweite ist am kommenden Montag – wirken eher wie Defensivaktionen. Und dass Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nach dem ersten Treffen in der FDP-Fraktion davon sprach, die Regierung müsse gemeinsam – „und ich betone gemeinsam“ – die richtige Wirtschaftspolitik machen, war keine oder zumindest nicht nur eine Warnung an Scholz.
Dass Lindner wiederum danach von „Regierungsverpflichtung“ redete und von „gemeinsamer Richtung“ in der Regierung, ließ erkennen, dass der Finanzminister den von Scholz mit der Nennung des zweiten Termins verbundenen Wunsch begriffen hat.
Immerhin könnte es zum Kalkül von Scholz gehören, dem Bundespräsidenten die Entlassung des Finanzministers vorzuschlagen. Die Begründung wäre dann, dass Lindner sich der Bedeutung der Situation nicht bewusst sei. Will der sich das nachsagen lassen? Spielt man mit der Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen, wenn man in den Umfragen bei drei bis vier Prozent liegt?
- Ampelkoalition
- Bundestagswahl
- Christian Lindner
- Deutscher Bundestag
- FDP
- Friedrich Merz
- Lars Klingbeil
- Olaf Scholz
- Robert Habeck
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false