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Politik: Der Kater nach dem Rausch

Vor einem Jahr lag Frankreich Sarkozy zu Füßen – jetzt ist er unbeliebter als jeder seiner Vorgänger

Manchmal überkommt den Antialkoholiker Nicolas Sarkozy doch ein Rausch – der Rausch der Macht. „Regieren ist doch einfacher, als ich es mir vorstellte“, hatte er vor einem Jahr gesagt. Das war nach dem Triumph über die sozialistische Konkurrentin Ségolène Royal und dem Sieg bei den folgenden Parlamentswahlen, die ihm für die nächsten fünf Jahre eine sichere Mehrheit im Palais Bourbon bescherten. In der Regierungspartei UMP harrten damals seine Mitstreiter auf den erlösenden Anruf, durch den sie für ihren Einsatz mit einem Ministeramt belohnt zu werden hofften. Und auch in der Opposition nährten nicht wenige den Glauben, im Zeichen der von Sarkozy proklamierten „Politik der Öffnung“ ins Regierungslager zu gerufen zu werden. Es herrschte Aufbruchstimmung. Frankreich lag dem neu gewählten Präsidenten zu Füßen.

Ein Jahr danach ist die Enttäuschung groß. 62 Prozent der Franzosen haben von dem Präsidenten, der das Land mit einer Vielzahl versäumter Reformen wachzurütteln versprach, von eben diesem Präsidenten keine gute Meinung. Nur 36 Prozent urteilen noch positiv über ihn. Das gilt für die Innen- wie für die Außenpolitik. Wäre heute Wahl, wäre Sarkozy nicht sicher zu gewinnen. Nicht einmal jeder zweite Befragte wünscht, dass er sich 2012 erneut zur Wahl stellt.

Auch Sarkozys Amtsvorgänger rutschten nach kurzer Zeit in den Umfragen empfindlich ab. Aber weder Valéry Giscard d’Estaing noch Francois Mitterrand oder Jacques Chirac waren nach einem Jahr im Amt so unpopulär wie jetzt er. Auf die Zurschaustellung seines Privatlebens ist dies allein nicht zurückzuführen. Der „Président Bling-Bling“, wie er wegen seines Hangs zum Luxus genannt wurde, ist nach einem Wort des Parteichefs der Sozialisten, Francois Hollande, zum „Président Couac-Couac“ geworden, zum Präsidenten also, in dessen Politik es knirscht und kracht.

Das scheint auch den Amtsinhaber zu beschäftigen. Er habe sich keine Illusionen darüber gemacht, dass seine Reformen auch Unzufriedenheit erzeugten, sagte er kürzlich in einem Fernsehinterview. Damit habe er gerechnet. Aber er wünsche, dass die Erfolge seiner Politik nicht im Licht des ersten Jahres, sondern am Ende seiner fünfjährigen Amtszeit beurteilt würden. Sarkozy, der vor Ungeduld brennende Reformer, der alles auf einmal anzupacken versprach und alles selbst entscheidet, weil es sonst ja nicht vorankomme, bittet die Franzosen nun um vier Jahre Geduld.

So lange möchten die jedoch nicht warten, denen der Präsident im Wahlkampf mit den Worten „Ich will der Präsident der Kaufkraft sein“ eine Verbesserung ihrer materiellen Lage versprach. Da spielt es kaum noch eine Rolle, dass nicht alles, was Sarkozy verhieß, unerledigt in den Schubladen verschwand. So wurde die Justizreform angepackt, bei den Gesundheitsausgaben der Sparstift angesetzt und die Sonderrentenkassen im öffentlichen Dienst dem übrigen Rentensystem angepasst. Doch die wirklich großen Reformen wie die Sanierung der Sozialrenten oder der Abbau des Haushaltsdefizits stehen noch aus. Wie Sarkozy sie bewältigen will, sagt er nicht. Mit einem Schweizer Messer, bei dem alle Klingen aufgeklappt sind, vergleicht der Publizist Jacques Julliard Sarkozys Politik: Damit lasse sich nichts schneiden.

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