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Politik: Der Mann für die Massen

Oppositionsführer Saakaschwili will Georgien führen – und hat beste Chancen

Bei Terminen ist auf die neue Führung in Tiflis offenbar Verlass: Am Dienstag kündigte die amtierende Präsidentin Nino Burdschanadse an, die ehemalige Opposition würde binnen 24 Stunden einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentenwahlen am 4. Januar benennen. Am Mittwoch wurde die Entscheidung bekannt, die viele erwartet und einige befürchtet hatten: Michail Saakaschwili wurde als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat nominiert. Im Dezember wird er 35 und nimmt damit knapp jene Hürde, mit der die georgische Verfassung das Mindestalter für Anwärter auf das höchste Staatsamt festsetzt.

Georgien schafft mit dieser Wahl innerhalb der GUS einen Präzedenzfall: Bisher galt in der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft das Amt eines Interimspräsidenten als sichere Bank für eine Bestätigung durch den Wählerwillen. Schließlich verfügt der amtierende Präsident über die nötigen „administrativen Ressourcen" – eine Mischung aus permanenter Medienpräsenz und massivem Druck auf die jeweils untergeordneten Hierarchien im Apparat. Eben diese straffe Machtvertikale aber funktioniert seit dem Umsturz in Georgien nicht: Die Mehrheit der Regionen wartet auf einen demokratisch legitimierten Staatschef. Oder sie boykottiert die Zentralregierung, sollte deren Zusammensetzung nicht hinreichende Garantien für die Wahrung eigener Interessen bieten.

Eine Frau hat in Georgien außerdem nicht unbedingt die besten Karten für die Übernahme der zentralen Kommandogewalt. Vor allem aber sieht die Mehrheit der Beobachter trotz massiver Fälschungen in den Ergebnissen der Wahlen vom 2. November ein Orakel, das zumindest Tendenzen der Zustimmungsraten erkennen lässt. Saakaschwilis „Nationale Bewegung“ hatte 20 Prozent erhalten, Burdschanadses „Demokraten“ 8,8 Prozent. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass Saakaschwilis Ergebnis durch die Wahlfäscher nach oben, Burdschanadses dagegen nach unten korrigiert worden war. Denn Ex-Präsident Eduard Schewardnadse hielt die eher gemäßigten Politiker um Burdschanadse und Ex-Parlamentschef Surab Schwanija, den eigentlichen Vordenker der Bewegung, längerfristig für die größere Bedrohung seines Regimes als Saakaschwili. Dessen Radikalismus drohte viele Wähler zu verprellen.

Saakaschwili kann allerdings die Massen eher mitreißen als die kühle, introvertierte Burdschanadse. Doch auch das ist nicht unbedingt von Vorteil: Bei den schwierigen Verhandlungen mit den Provinzfürsten, vor allem mit Adscharen-Chef Askan Abaschidse, sind eher Moderatoren gefragt, die sich zudem mit der neuen Opposition – dem Schewardnadse-Block, der sich neu formieren dürfte –, arrangieren können.

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