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Politik: Der Mutmacher

Auf dem Katholikentag begeistert der Bundespräsident das Publikum und verspricht: Ich halt’ mich fit

Würde es nach den Katholikentagsbesuchern gehen, Bundespräsident Horst Köhler müsste sich keine Sorgen um seine Wiederwahl machen. Vor der Osnabrücker Stadthalle standen sie am Samstag Spalier, um ihn zu beklatschen, und riefen: „Gut, dass Sie sich beworben haben.“ Im Vortragssaal empfingen ihn 3000 Menschen mit stehenden Ovationen. Köhler, eingerahmt von Bischöfen, Ministerpräsidenten und Staatssekretären, strahlte und winkte kurz.

„Damit die Zukunft demokratisch bleibt“ hieß die Hauptveranstaltung des 97. Katholikentags, bei der Bundespräsident Köhler auf dem Podium saß. Er diskutierte mit Michel Camdessus, seinem Vorgänger als Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF), und dem tschechischen Literaten, Bürgerrechtler und Diplomaten Jiri Grusa über die Frage, „wie unsere liberale Demokratie die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen kann“. Nicht wirklich ein sexy Thema, wenn draußen blauer Himmel und 25 Grad locken. Aber die drei Männer auf der Bühne, angetrieben von Moderatorin Maybrit Illner, machten daraus eine spannende Sache. Und der Bundespräsident lief zu entspannter Hochform auf. Die Zuhörer dankten es ihm mit heftigem Applaus nach fast jedem seiner Redebeiträge. Und so konnte man in Osnabrück beobachten, was sozusagen die Botenstoffe sind in der Liebesbeziehung der Deutschen zu ihrem Präsidenten.

Zum einen kommt gut an, dass Köhler Mut macht. Er lässt sich nicht ins Gejammere hineinziehen, wenn es um die Krise der Demokratie geht, um Politikverdrossenheit, Überwachungsstaat, Extremismus. Er lobt lieber. Die „enorme Erfolgsgeschichte der deutschen Demokratie“ zum Beispiel oder die „Begabung der Deutschen zur Freiheit“. Das Lob ist aber dann doch verbunden mit Aufforderungen: Dass man die Demokratie lebendig gestalten müsse, schließlich sei sie keine Selbstverständlichkeit. „Und das geht nur, indem jeder Verantwortung für die Demokratie und die Freiheit übernimmt.“ Als Maybrit Illner die Frage aufwirft, ob die Demokratie durch Finanzmärkte und Wirtschaftskonzerne erpresst wird, fordert Köhler „neue strengere Regeln der Finanzaufsicht“ und ruft die „reichen und superreichen“ Gewinner der Globalisierung auf, ihren Reichtum zur Bekämpfung der Armut und für Bildung einzusetzen. Er widersteht aber der Gefahr, „die da oben“ gegen „die da unten“ auszuspielen. Wenn nicht „wir alle“ die Ansprüche an ein immer komfortableres Leben zurückschrauben, „wird’s nicht gehen“. Demokratie ist kein Besuch in der Wellness-Oase.

Auch scheut sich Köhler nicht, an so altmodische Phänome wie „Moral, Tugend und Verantwortung“ zu erinnern. Auf einem Katholikentag kommt so was gut an. Köhler rührt an den zivilgesellschaftlichen Fundamenten der Demokratie. Als es um China und den Westen geht, um Menschenrechte und wirtschaftlichen Aufschwung, sagt er, dass sich die Europäer in China immer wieder für die Menschenrechte einsetzen müssen. „Aber nicht mit dem Anspruch, wir wissen alles besser.“ Mit Blick auf Afrika mahnt er, „dem anderen auch die Chance zu geben, eigene Fehler machen zu dürfen“. Und mit Blick auf sich selbst, auf eine zweite Amtszeit als Bundespräsident? Wie weit reicht Ihr politischer Atem?, will Maybrit Illner von Köhler, einem leidenschaftlichen Langstreckenläufer, wissen. „Ich halt’ mich fit“, antwortet er. Das Publikum jubelt.

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