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Politik: Der Plan des Premiers

Scharon überrascht seine Partei mit der Ankündigung, die Siedlungen im Gaza-Streifen zu räumen

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

„Ich habe den Befehl gegeben, die Evakuierung von 17 Siedlungen im Gaza-Streifen zu planen.“ Mit dieser Ankündigung überraschte Israels Premier Ariel Scharon am Montag nicht nur die Öffentlichkeit. Auch in seiner eigenen Partei war man nicht auf das vorbereitet, was Scharon in einem Interview mit seinem wohl schärfsten Kritiker in den Medien, dem Starjournalisten Yoel Marcus der Zeitung „Haaretz", mitteilte. Das Blatt veröffentlichte die wichtigsten Teile des Scharon-Interviews wenige Stunden vor der Sitzung der vollkommen überrumpelten Likud-Fraktion im Internet.

Scharon geht bei seinem Plan davon aus, „dass in Zukunft keine Juden in Gaza leben werden". Es sei seine Absicht, „die Verlegung von Siedlungen zu verwirklichen, die uns Probleme machen, und von Orten, die wir ohnehin nicht behalten werden in einer Endstatusregelung“, erläuterte der Premier. Die Rede sei von rund 7500 Siedlern, mit denen er ins Gespräch kommen wolle, um ihre Zustimmung einzuholen.

Kein Wort verlor Scharon allerdings über einen Zeitplan für diese Gespräche und vor allem für die Umsetzung, also die Räumung der Siedlungen. Bei seinem Washington-Besuch Ende des Monats werde er den Plan den USA vorlegen: „Wir benötigen ihre Unterstützung", sagte Scharon in dem Interview.

Der aktuelle Plan ist bereits der dritte, den Scharon oder seine engsten Mitarbeiter in den letzten Wochen angekündigt haben. Sie alle sahen Siedlungsräumungen vor, allerdings ist es das erste Mal, dass Scharon von der vollständigen Räumung des Gaza- Streifens spricht. Entsprechend überrascht, verunsichert und scharf fielen die ersten Reaktionen aus. Außenminister Silvan Schalom gestand ein: „Ich kenne diesen Plan nicht.“ Dieser müsse aber vor Regierung und Knesset zur Abstimmung gebracht werden, fügt er hinzu. Einseitige Schritte, so warnte Schalom, könnten den Konflikt nicht entschärfen.

„Bei uns räumt man keine Siedlungen, sicher nicht zu Zeiten des Terrors“, ließ Vizeerziehungsminister Zvi Hendel von der „Nationalen Union“ seiner Wut freien Lauf. Hendel, Führer der Siedler im Gaza-Streifen, war der erste, der offen aussprach, was später Politiker verschiedenster Lager wiederholten: Scharon wolle die Öffentlichkeit von seinen Affären ablenken und deshalb „sagt er nun Dinge, an die er nicht glaubt.“ Am Donnerstag wird Scharon von der Polizei zu Korruptionsvorwürfen vernommen.

Benzi Lieberman, Vorsitzender des Siedlerrates, warnte Scharon, er verliere „das moralische Recht zu regieren“, sollte er mit seinen Plan nach Washington fliegen. Tatsächlich haben nicht nur Scharons nationalistischen Koalitionspartner „Nationale Union" und Nationalreligiöse mehrfach für den Fall von Siedlungsräumungen mit einer Regierungskrise gedroht.

Auch der bisherige Arbeitspartei-Generalsekretär Ofir Pines wertete die Ankündigung Scharons als Ablenkungsmanöver von aktuellen Skandalen. „Scharon hat schon tausendmal die Räumung von Siedlungsaußenposten angekündigt, doch er hat noch keinen einzigen Wohncontainer geräumt“, lautete sein Kommentar.

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