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Politik: Der Rivale bleibt am Tisch

Israels Premier Scharon wollte Netanjahu loswerden. Doch der nimmt überraschend das Amt des Finanzministers an

Die neue israelische, rechtskonservative Regierung unter Ministerpräsident Ariel Scharon steht. Der frühere Ministerpräsident und bisherige Außenminister Benjamin Netanjahu hat als neuer Finanzminister die Aufgabe, den jüdischen Staat aus der Wirtschaftskrise zu führen. Der an dieser Aufgabe gescheiterte bisherige Finanzminister Silvan Schalom wird hingegen als neuer Außenminister Scharon weitgehend die Führung der wichtigsten Aspekte der Außenpolitik – also die Beziehungen zu den USA und eventuelle Verhandlungen mit den Palästinensern – überlassen müssen. Der Hardliner Schalom hatte in den vergangenen Monaten unter anderem die Vertreibung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat gefordert.

Die Besetzung mehrerer Ministerposten hatte in den Reihen des Likud Überraschungen ausgelöst und gleichzeitig Scharon in eine unangenehme Situation gebracht, aus der er sich nur schwer hatte wieder herausmanövrieren können. So hatte Scharon zunächst dem bisherigen Jerusalemer Oberbürgermeister Ehud Olmert das wichtige Amt des Finanzministers fest versprochen gehabt und danach dieses Amt dem bisherigen Außenminister und seinem Rivalen, Benjamin Netanjahu, angeboten – in dem Glauben, dieser werde ablehnen.

Doch als Netanjahu nach einem anfänglichem Nein sich in der Nacht auf Donnerstag doch noch dazu entschloss, das Angebot anzunehmen, musste für Olmert ein neuer Posten gefunden werden. Schließlich wurde er zum Stellvertreter des Regierungschefs ernannt, sowie zum Handels- und Industrieminister mit erweiterten Kompetenzen. Darüberhinaus wird er Mitglied der Entscheidungsgremien der Außen- und Sicherheitspolitik. Aus letzteren bleibt Netanjahu, der als wesentlich nationalistischer und kompromissloser als Olmert gilt, ausgeschlossen.

Olmert, den Scharon favorisiert, Schalom und Netanjahu gelten außerdem als aussichtsreichste Kandidaten für die Nachfolge des am Mittwoch 75 Jahre alt gewordenen Regierungschefs, falls dieser im Laufe der viereinhalbjährigen Amtszeit zurücktritt oder sich nicht zur Wiederwahl stellt.

Nach den langwierigen Personal-Verhandlungen gab Scharon dann mit halbstündiger Verspätung – wegen heftiger Schneefälle in Jerusalem – am Donnerstagnachmittag vor dem israelischen Parlament seine Regierungserklärung ab und stellte das Kabinett vor. Die Regierungskoalition, bestehend aus Scharons Likud, dem sich die Aliya-Einwandererpartei mit ihren zwei Mandaten angeschlossen hat, der „Nationalen Union“, den Nationalreligiösen und der antireligiösen Shinui-Partei, verfügt über 68 der insgesamt 120 Mandate in der Knesset.

In seiner Rede vor dem Parlament bekräftigte Scharon, dass es im Gegenzug für einen wahren Frieden die Bereitschaft zu schmerzlichen Zugeständnissen gebe. Vor einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche müssten die Palästinenser jedoch umfangreiche Reformen in ihrer Autonomiebehörde vornehmen. Ferner müssten sie die Forderung nach einer Rückkehr von vier Millionen palästinensischen Flüchtlingen nach Israel aufgeben. Seine Regierung werde der Wiederbelebung der israelischen Wirtschaft Vorrang einräumen, sagte Scharon. Beobachter schlossen daraus, dass die Bemühungen um ein Ende des Nahostkonflikts damit zunächst weniger wichtig genommen würden. Zwar blieb Scharon bei seiner Bereitschaft, die Gründung eines palästinensischen Staats unter erheblichen Beschränkungen zu akzeptieren. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Regierung scheint es aber fraglich, ob das Kabinett dem zustimmen wird.

Über konkrete Maßnahmen zur Konfliktlösung sprach Scharon nicht. Er betonte jedoch erwartungsgemäß die Notwendigkeit der resoluten Terrorbekämpfung und Wiederherstellung der Sicherheit des jüdischen Staates und seiner Bürger.

Charles Landsmann[Tel Aviv]

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