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Politik: "Der Schlüssel zum Frieden: Anklage und Bombenstopp"

BERLIN .Die Anklage gegen Slobodan Milosevic ist nach Ansicht des Strafrechtlers Wolfgang Schomburg "eine große Chance für den Frieden".

BERLIN .Die Anklage gegen Slobodan Milosevic ist nach Ansicht des Strafrechtlers Wolfgang Schomburg "eine große Chance für den Frieden".Während mancher Politiker die Anklage des Haager UN-Tribunals als Torpedierung des erhofften Friedensprozesses betrachtet, sieht Schomburg darin einen bedeutenden Schritt vorwärts."Aber nur, wenn der Westen diese Chance ergreift, sofort die Bombardierung Jugoslawiens einstellt und dem Recht zum Durchbruch verhilft", ergänzt er.

Schomburg, ehemals in der roten-grünen Berliner Koalition Staatssekretär im Justizressort, ist Experte für internationales Strafrecht.Als Ko-Autor verfaßte er das Standardwerk "Internationale Rechtshilfe in Strafsachen"; beim Bundesgerichtshof war er als Berichterstatter unter anderem mit einer Völkermordanklage gegen deutsche Söldner in Bosnien befaßt.Schließlich war er an den jahrelangen Vorbereitungen für den im Sommer 1998 gegründeten Ständigen Internationalen Strafgerichtshof beteiligt.

Der 24.März 1999 war eine große Enttäuschung für Schomburg."Ich hatte sehr gehofft, daß das Tribunal eine militärische Intervention durch Anklageerhebung und Festnahme noch abwenden könne", sagt er, "aber offenbar war die Beweislage für das Gericht noch nicht eindeutig genug; das Tribunal trifft keine Schuld.So aber wurde zum archaischen Mittel des Bombenwerfens gegriffen.Das zivile Mittel des internationalen Strafrechts kam nicht zur Geltung - ein erheblicher Rückschlag für das Recht."

Daß die Anklage nun öffentlich gemacht wurde, sei "sehr befriedigend".Die Konsequenz müsse sein, die Angriffe auf Jugoslawien zu stoppen.Die Bombenangriffe seien weder ein verhältnismäßiges noch ein geeignetes Mittel."Und da muß sich die internationale Gemeinschaft entscheiden.Die Nato verletzt mit den Bombardierungen die Souveränität eines Staates und nimmt in Kauf, daß die Zivilbevölkerung massiv leidet.Da muß man sich fragen, warum dann nicht eben diese Souveränität eingeschränkt wird, um der Angeklagten habhaft zu werden.Souveränität ist keine Schranke für eine durch die Vereinten Nationen mandatierte Festnahme."

Schomburg redet nicht von Tyrannenmord, sondern von strikter Anwendung des internationalen Rechts, das die Großmächte China und Rußland durch die Einrichtung des Haager UN-Tribunals mit entwickelt haben.Der Name fällt nicht im Gespräch, aber das Vorgehen im Fall Eichmann drängt sich als Modell auf.Kaum verklausuliert fordert auch das Haager Tribunal einen direkten Zugriff auf Milosevic.In der von einem Richter formulierten Entscheidung, die Anklage zuzulassen, heißt es, kompliziert formuliert, aber dringlich: "Da das Tribunal nicht über eine eigene Polizeitruppe zum Vollzug der Haftbefehle verfügt, akzeptiere ich, daß es von herausragender Bedeutung ist, jede zulässige Maßnahme zu ergreifen, die zur Festnahme jener führt, die in der Republik Jugoslawien Schutz gesucht haben oder sonstwo der Verhaftung zu entgehen suchen."

Das Tribunal kann nicht mehr tun, als die Festnahme zu fordern.Entscheiden muß die Nato, ob und wie sie ihre Mittel zur Festnahme der Angeklagten einsetzt.Natürlich könne eine Festnahme-Aktion riskant sein, blutig enden und auch scheitern; aber gerechtfertigt und angemessen wäre ein solcher Schritt.Schomburg plädiert mit dem Vorschlag für etwas, das man "Realpolitik im Rahmen des Rechts" nennen könnte.Vielleicht gebe es, wenn man dem serbischen Volk die Bedeutung und Funktion der Anklage verdeutlicht ("etwa durch Flugblätter, die auch Wiedergutmachungsgarantien enthalten") dann doch Unterstützung von Demokraten in Serbien selbst.

Eines müsse vermieden werden, sagt der Jurist: "Einen faulen Deal mit Milosevic, etwa das Versprechen persönlicher Straffreiheit, darf es nicht geben.Das wäre das Schlimmste.Es darf keinen Vertrag zu Lasten Dritter geben." Und der Dritte, das sind die Organe der internationalen Justiz, wie das Haager UN-Tribunal.Vom UN-Sicherheitsrat eingerichtet, bedürfe es gerade jetzt konsequenter Unterstützung: "Personell, finanziell und politisch".

PAUL STOOP

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